I. Einleitung zum SGB II
Hinweis:
Teil 2 (Leistungen/Leistungsberechtigung im Überblick: Leistungsinhalte) und Teil 3 (Sanktionen; Zuständigkeit und Verfahren) des Beitrags werden demnächst in der ZAP vorgestellt. Paragraphen ohne Bezeichnung sind solche des SGB II.
Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll es Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht, § 1 Abs. 1. Mit dieser erst 2011 eingeführten Eingangsvorschrift zum SGB II hat der Gesetzgeber auf das Urteil des BVerfG v. 9.2.2010 (1 BvL 1/09 u.a., s. hierzu näher unten II) reagiert, wonach das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zusichert, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Diese programmatische Aussage erstreckt sich auch auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld II (im Folgenden: Alg II).
Alg II ist als Teil der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine bedarfsabhängige Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts – grds. als Zuschuss erbracht, nur ausnahmsweise als Darlehen (§ 24 Abs. 1, 4 u. 5, § 42a) – für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die neben dem als Regelsatz anerkannten, hinsichtlich seiner gesetzlich festgesetzten Höhe besonders umstrittenen Regelbedarf (§ 20) Mehrbedarfe (§ 21) und Kosten der Unterkunft (§ 22) umfasst, s. § 19 Abs. 1 S. 3. Für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene vor Vollendung des 25. Lebensjahrs sind als Teil des Alg II (s. § 19 Abs. 2) zusätzlich Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft nach § 28 Abs. 2–7 zu berücksichtigen. Die Leistungen werden nur auf Antrag erbracht, § 37 (zum Antragserfordernis s. näher unten IV. 2).
Die einschlägigen Vorschriften – auch zu weiteren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Sonderbedarf nach § 24 Abs. 3, Leistungen für Auszubildende, § 27) – finden sich im SGB II Kapitel 3, Abschnitt 2, §§ 19 ff. Alg II erhalten nicht nur Arbeitslose, sondern auch Personen, die berufstätig sind, aber mit ihrem Einkommen allein den Lebensunterhalt nicht bestreiten können (sog. Aufstocker).
Der Bezug von Alg II führt zur Versicherungspflicht der Empfänger in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V, § 20 Abs. 1 Nr. 2a SGB XI). Die Versicherungsbeiträge werden direkt an die Sozialversicherungsträger abgeführt. Die bis zum 31.12.2010 vorgesehene Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ist zum 1.1.2011 entfallen.
Der Anspruch auf Alg II ist nicht zu verwechseln mit dem im SGB III – Arbeitsförderung – normierten Anspruch auf Alg, der als Sozialversicherungsleistung (s. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) bedarfsunabhängig gewährt wird (s. dazu auch Sartorius ZAP F. 18, S. 1757 ff.).
Hinweis:
Nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft (s.u. III 1 c) leben, erhalten – soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach §§ 41 ff. SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) haben – nach näherer Maßgabe von § 23 Sozialgeld (§ 19 Abs. 1 S. 2). Dieses beinhaltet, wie das Alg II, den Regelbedarf, Mehrbedarf, den Bedarf für Unterkunft und Heizung und Leistungen für Bildung und Teilhabe (§ 19 Abs. 1 S. 3, Abs. 2).
Neben den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst das Gesetz solche zur Eingliederung in Arbeit (3. Kapitel des SGB II) – die als vorrangig angesehen werden –, s. § 1 Abs. 2 SGB II, und Ansprüche auf Beratung (s. §§ 4 Abs. 2, 14 Abs. 2), s. § 1 Abs. 3.
Erbracht werden die Leistungen des SGB II in Form von Dienstleistungen, Geldleistungen und Sachleistungen, § 4 Abs. 1.
Hinsichtlich der Abgrenzung zu anderen existenzsichernden Leistungen gilt:
Auch das SGB XII (Sozialhilfe) sieht in §§ 19 Abs. 1, 27 Abs. 1 SGB XII Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für Personen vor, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können. Diese Leistungen sind gegenüber den nach der Grundsicherung für Arbeitsuchende Leistungsberechtigten ausgeschlossen (§ 21 S. 1 SGB XII). Einen entsprechenden Leistungsausschluss sieht auch § 5 Abs. 2 S. 1 vor. Von dieser Abschottung nicht erfasst ist die Sozialhilfe in unterschiedlichen Lebenslagen (§§ 47 ff. SGB XII). Praktische Bedeutung hat insofern häufig die Vorschrift des § 73 SGB XII (Hilfe in sonstigen Lebenslagen), s. hierzu etwa Boetticher/Sartorius in Berlit/Conradis/Pattar, Existenzsicherungsrecht, 3. Aufl., Kap. 25 Rn 58.
Die Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums für Personen, die wegen Alters, Krankheit oder Behinderung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, erfolgt durch die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41 ff. SGB XII).
Nicht nach dem SGB II leistungsbere...