a) Fiktive Abrechnung
Bei der fiktiven Schadensberechnung ist für die Bemessung des Schadenersatzanspruchs materiell-rechtlich der Zeitpunkt der vollständigen Erfüllung, verfahrensrechtlich regelmäßig der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung maßgeblich. Vorher eintretende Preissteigerungen für die günstigere Reparaturmöglichkeit in einer freien Fachwerkstatt, auf die der Schädiger den Geschädigten gem. § 254 Abs. 2 BGB verweisen darf, gehen daher i.d.R. zulasten des Schädigers (BGH NJW 2020, 1795 m. Anm. Heßeler = NZV 2020, 465 m. Anm. Moser = DAR 2020, 325 = VRR 7/2020, 10 [Deutscher]). Eine freie Fachwerkstadt, die fast 38 km vom Wohnort der Geschädigten entfernt in einer anderen Stadt liegt und keinen kostenlosen Hol- und Bringeservice anbietet, ist nicht mühelos erreichbar, wenn eine markengebundene Werkstatt nur 6 km entfernt in neun Autominuten erreicht werden kann (OLG Düsseldorf DAR 2020, 507).
Hinweis:
Die Grundlagen der fiktiven Abrechnung erläutern Engel/Ehlscheid DAR 2020, 321 und Steffen zfs 2020, 244, deren Zukunft Wenker NZV 2020, 344. Zum richtigen Zeitpunkt für die Unzumutbarkeitsprüfung des Werkstattverweises Zwickel NZV 2020, 228.
b) 130 %-Regelung
Dem Geschädigten steht bei einem Totalschaden kein Anspruch auf Ersatz der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigenden Reparaturkosten zu, wenn bei der Reparatur die Unterschreitung der 130 %-Grenze nur deshalb gelingt, weil ihm durch den Reparaturbetrieb erhebliche und nicht näher erläuterte Rabatte gewährt wurden (LG Bielefeld NZV 2020, 317 [Exter]). Die Erstattung der unfallbedingten Reparaturkosten nach Maßgabe der 130 %-Regelung ist auch dann möglich, wenn das reparierte Fahrzeug vor Ablauf der Sechs-Monatsfrist gepfändet und versteigert wird. Maßgeblich ist, dass der Geschädigte zum Zeitpunkt der Erteilung des Reparaturauftrags den Willen besaß, sein Fahrzeug langfristig weiter zu nutzen (OLG Düsseldorf VRS 137, 234 = NJW-RR 2020, 491 = NZV 2020, 315 [Fahl]).
c) Abrechnungsposten (insb. Kosten des Sachverständigen)
Der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung des Sachverständigen und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand bildet (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung "erforderlichen" (ex ante zu bemessenden) Betrags i.S.v. § 249 Abs. 2 S.1 BGB. Diese Indizwirkung greift auch dann, wenn die Rechnung des Sachverständigen nicht vom Geschädigten selbst, sondern von dessen anwaltlichem Bevollmächtigten beglichen worden ist und der Geschädigte selbst eine Honorarvereinbarung mit dem Sachverständigen geschlossen hat, ohne bereits dabei rechtlich beraten worden zu sein (BGH NJW 2020, 1001 = VRR 4/2020, 11 [Hillenbrand]; zu einer formularmäßigen Abtretungsklausel an den Sachverständigen BGH NJW 2020, 1888). Ein Geschädigter ist gehalten, i.R.d. ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist er nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Verlangt der Sachverständige bei Vertragsabschluss jedoch Preise, die für den Geschädigten im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle erkennbar deutlich überhöht sind, kann sich die Beauftragung dieses Sachverständigen als nicht erforderlich erweisen. Der Geschädigte kann dann nur Ersatz der für die Erstattung des Gutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten verlangen, deren Höhe der Tatrichter i.R.d. ihm zustehenden Schätzungsermessens festzulegen hat. Dabei gibt allein der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung tatsächlich erbrachte Aufwand einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrags (BGH NJW 2020, 1148 = DAR 2020, 193).