1. Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB)
Es liegt nahe, Elektrofahrräder mit Begrenzung der motorunterstützen Geschwindigkeit auf 25 km/h (sog. Pedelecs) auch strafrechtlich nicht als Kfz einzustufen. Für die Beurteilung der absoluten Fahruntüchtigkeit von Pedelec-Fahrern soll es hierauf nicht ankommen. Ein Erfahrungssatz, dass Pedelec-Fahrer unterhalb des für Fahrradfahrer geltenden Grenzwerts von 1,6 ‰ Blutalkoholkonzentration absolut fahruntüchtig sind, besteht nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht (OLG Karlsruhe DAR 2020, 579 m. abl. Anm. König = zfs 2020, 526 = NZV 2020, 435 [Kerkmann] = VRR 9/2020, 15 = StRR 9/2020, 28 [jew. Deutscher]). Bei E-Scootern und anderen E-Kleinstfahrzeugen handelt es sich um Kfz. Daher gilt bei ihnen eine Blutalkoholkonzentration von 1,1 ‰ als Grenzwert für das Vorliegen einer absoluten Fahruntüchtigkeit (a.A. Schefer NZV 2020, 239).
Hinweis:
Dem hat sich in der ersten einschlägigen obergerichtlichen Entscheidung das BayObLG angeschlossen (DAR 2020, 576). – Eine Checkliste zu den straf-, bußgeld- und verkehrsverwaltungsrechtlichen Konsequenzen bei Alkoholfahrten mit E-Rollern erstellt Fromm NZV 2020, 230.
2. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Gefährdung des Straßenverkehrs (§§ 315b, 315c StGB)
Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr erfordert, dass die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt hat, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es im Sinne eines "Beinahe-Unfalls" nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (BGH NStZ 2020, 225).
Fahrunsicherheit i.S.d. § 315c Abs. 1 Nr. 1b StGB liegt vor, wenn die Gesamtleistungsfähigkeit des Fahrzeugführers infolge des geistigen oder körperlichen Mangels so weit herabgesetzt ist, dass er nicht mehr fähig ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, und zwar auch bei plötzlichem Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern. Auch Anfallsleiden, die zwar außerhalb akuter Phasen keine beeinträchtigenden Wirkungen entfalten (bspw. Psychosen, Persönlichkeitsstörungen und Neurosen), aber die erhebliche Gefahr jederzeit auftretender Anfälle und damit einer plötzlich eintretenden Fahrunsicherheit begründen, unterfallen § 315c Abs. 1 Nr. 1b StGB. Leidet der Angeklagte an einer Panikstörung, die immer wieder dazu führen wird, dass er als Autofahrer beim Zusammentreffen mit Polizeibeamten Panik und körperliche Symptome verspürt und hierdurch eine Fluchtreaktion hervorgerufen wird, durch die er sich selbst und andere Verkehrsteilnehmer erheblich gefährdet, ist das Gericht gehalten, das Vorliegen der Voraussetzungen einer Gefährdung des Straßenverkehrs gem. § 315c Abs. 1 Nr. 1b StGB zu erörtern (BGH NStZ 2020, 297 = NZV 2020, 265 [Deutscher]). Es ist fraglich, ob eine Fahrweise eine Folge einer Alkoholintoxikation war, wenn es zu einem alltäglichen Unfallgeschehen (hier: Parkrempler) kommt. In solchen Fällen bedarf es näherer Feststellungen zur Kausalität zwischen der Fahrunsicherheit und der konkreten Gefahr (BGH NStZ-RR 2020, 121). Wer mit seinem Pkw trotz Gegenverkehrs den freien Teil der Fahrbahn einer innerörtlichen Straße befährt, obwohl auf seiner Seite Fahrzeuge geparkt sind und die verbleibende Fahrbahnbreite für zwei sich begegnende Fahrzeuge nicht ausreicht, verstößt gegen § 6 S. 1 StVO. Da § 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a StGB nicht nur den Vorrang beim Zusammentreffen von Fahrzeugen aus verschiedenen Straßen i.S.d. § 8 StVO erfasst, sondern für alle Verkehrsvorgänge gilt, bei denen die Fahrlinien zweier Fahrzeuge bei unveränderter Fahrtrichtung und Fahrweise zusammentreffen oder einander so gefährlich nahekommen, dass sich der Verordnungsgeber veranlasst gesehen hat, durch eine ausdrückliche besondere Vorschrift einem Verkehrsteilnehmer den Fahrtvorrang vor dem anderen einzuräumen (sog. erweiterter Vorfahrtsbegriff), ist auch die Missachtung des Fahrtvorrangs nach § 6 S. 1 StVO als Vorfahrtsverstoß zu werten (BGH NStZ 2020, 402 = DAR 2020, 342 m. Anm. Staub = NZV 2020, 433 [Rinio]).
3. Beteiligung an Autorennen (§ 315d StGB)
Die seit 13.10.2017 geltende Strafvorschrift des § 315d StGB ("Verbotene Kfz-Rennen") wird in der Praxis immer bedeutsamer (Übersichten bei Schulz-Merkel NZV 2020, 397; Ternig zfs 2020, 304). Insbesondere Auslegung und Anwendung des gesetzgeberisch verunglückten § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB ("Alleinraser") sind dabei problematisch. Das OLG Köln (NStZ-RR 2020, 224 = NZV 2020, 436 [Quarch]) teilt nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmtheit des § 315d Abs. Nr. 3 StGB, die in den Vorlagebeschluss des AG Villingen-Schwenningen an das BVerfG gemündet sind (DAR 2020, 218 = VRR 3/2020, 18 = StRR 3/2020, 32 [jew. Deutscher]), sondern folgt der Ansicht des KG (DAR 2020, 149 = VRR 2/2020, 15 = StRR 3/2020, 26 [jew. Burhoff] = NZV 2020, 210 [Winkelmann]). Dabei werde i.R.d. Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, auf die relativ höchstmöglich erzielbare Gesch...