1. Fahrtenbuch
Der VerfGH Saarland (NJW 2019, 2456 m. krit. Anm. Krumm = NZV 2019, 414 m. krit. Anm. Krenberger = DAR 2019, 500 m. Anm. Gratz = zfs 2019, 527 = StRR 8/2019, 28/VRR 8/2019, 11 [jew. Deutscher]; Bespr. von Peuker NZV 2019, 443 [abl.]; Mysegades NZV 2020, 119 [zust.]) hat ein verfassungsrechtliches Beweisverwertungsverbot für das Ergebnis solcher Geschwindigkeitsmessungen angenommen, bei denen das eingesetzte Messgerät die erhobenen Rohmessdaten nicht speichert. Diese Entscheidung bindet alle saarländischen Gerichte und Verwaltungsbehörden einschließlich die für die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage zuständigen Straßenverkehrsbehörden. Dies gilt auch, wenn die Geschwindigkeitsmessung in einem anderen Bundesland vorgenommen worden ist (OVG Saarlouis NJW 2020, 1537 = VRR 5/2020, 25 [Deutscher] gegen die Vorinstanz VG Saarlouis VRR 4/2020, 23 [Deutscher]).
Unmöglich i.S.d. § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO ist die Feststellung des verantwortlichen Fahrers dann, wenn die Bußgeldbehörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Ein Ermittlungsdefizit der Behörde liegt nicht ohne Weiteres schon dann vor, wenn die Bußgeldbehörde den Fahrzeughalter über den Misserfolg ihrer bisherigen Ermittlungsbemühungen nicht in Kenntnis gesetzt und zu einer weitergehenden Mitwirkung an der Aufklärung aufgefordert hat. Hierzu kann sie mit Blick auf die Kürze der Verfolgungsverjährungsfrist und das Gebot der Angemessenheit ihrer Ermittlungsbemühungen allenfalls dann gehalten sein, wenn die Gesamtumstände den Schluss zulassen, dass eine erneute Kontaktaufnahme mit dem Fahrzeughalter die Ermittlungen tatsächlich fördern könnte. Allein die nur abstrakte Möglichkeit, eine erneute Anhörung oder sonstige Beteiligung des Halters könnte diesen überhaupt oder zu einer weitergehenden Mitwirkung veranlassen, genügt dafür nicht (OVG Münster NJW 2020, 2572 = NZV 2020, 543 [Brandmair]). Ist eine juristische Person Halterin des Fahrzeugs, liegt kein Ermittlungsdefizit der Bußgeldbehörde vor, wenn die Behörde einen Zeugenfragebogen an die juristische Person und nicht an deren Geschäftsführer richtet. Dieser Umstand entbindet die Halterin nicht von ihren Mitwirkungsobliegenheiten. Sie muss sich so organisieren, dass Anschreiben an ihre Geschäftsadresse auch ohne Nennung des Geschäftsführers zur Kenntnis der dazu berufenen Personen gelangen (OVG Münster VRS 137, 12 = NZV 2020, 215 [Brandmair]). Eine Unmöglichkeit, den Fahrer festzustellen, liegt auch dann vor, wenn zunächst ein Bußgeldbescheid gegen einen Betroffenen ergeht, dieser aber im Zwischenverfahren nach § 69 Abs. 2 OWiG wieder zurückgenommen und das Verfahren eingestellt wird, da keine ausreichende Überzeugung von seiner Täterschaft gewonnen werden kann (VG Freiburg DAR 2020, 523 m. Anm. Mahlberg).
Eine Fahrtenbuchanordnung bezogen auf einen Lkw, der mit einem Fahrtenschreiber ausgestattet ist, ist rechtmäßig, wenn aufgrund des bisherigen Verhaltens des Fahrzeughalters nicht angenommen werden kann, er werde an der Aufklärung zukünftiger Verkehrsverstöße von sich aus hinreichend mitwirken (OVG Lüneburg zfs 2020, 476 = NZV 2020, 439 [Brandmair]).
2. Abschleppkosten nach Parkverstoß (Polizei- und Ordnungsrecht)
Wird ein nicht elektrisch betriebenes Fahrzeug auf einem Sonderparkplatz für Elektrofahrzeuge abgestellt, rechtfertigt die damit einhergehende Funktionsbeeinträchtigung dieser Verkehrsfläche eine Abschleppmaßnahme regelmäßig auch ohne konkrete Behinderung eines bevorrechtigten Fahrzeugs. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet i.d.R. dann nicht die Einhaltung einer bestimmten Wartezeit (VG Gelsenkirchen zfs 2020, 358). Ein gewerblicher Autovermieter ist für durch den Fahrzeugmieter verursachte Abschleppkosten verantwortlich (VG Bremen DAR 2020, 405).
Hinweis:
Zur polizeirechtlichen Sicherstellung von Fahrzeugen Weber NZV 2020, 351.
Von Richter am Amtsgericht Dr. Axel Deutscher, Bochum
ZAP F. 9 R, S. 1133–1148