1. Keine Anrechnung von Privatdarlehen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende
Arbeitslosengeld II erhält nur, wer hilfebedürftig ist, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II, also seinen Bedarf nicht mit eigenem Einkommen und Vermögen, mit Einkommen und Vermögen der Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft und Mitteln der Haushaltsgemeinschaft decken kann, § 9 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5 SGB II. Als Einkommen angerechnet werden nach § 11 Abs. 1 S. 3 SGB II „auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen”. In dem hier zu besprechenden Fall war strittig, ob auch als Studienkredit gewährte private Darlehen der Einkommensanrechnung unterliegen. Dies verneinte das BSG in seinem Urt. v. 8.12.2020 – B 4 AS 30/20 R (s. hierzu auch Meißner, jurisPR-SozR 12/2021 Anm. 1).
Die Klägerin war vom 1.11.2010 bis zum 4.5.2012 im juristischen Vorbereitungsdienst. Danach war sie als wissenschaftliche Hilfskraft bis zum 31.5.2013 tätig. Ab 1.8.2013 nahm sie den juristischen Vorbereitungsdienst wieder auf. Zusätzlich absolvierte sie von Januar 2012 bis zum 31.12.2013 ein berufsbegleitendes, duales Fernstudium in dem Masterstudiengang „Kriminologie und Polizeiwissenschaft”. Die Präsenzveranstaltungen dieses Studiums fanden i.d.R. am Freitag und Samstag statt. Im Übrigen basierte das Studium auf E-Learning-Einheiten. Für dieses Studium hatte die Klägerin im März 2012 bei der Deutschen Bank von April 2012 bis Dezember 2013 einen Studienkredit für die Studiengebühren und den Lebensunterhalt i.H.v. 800 EUR monatlich aufgenommen. Die Rückzahlung des Darlehens mit einer Gesamthöhe von 18.753,73 EUR war am 30.12.2014 fällig. Ihren Antrag auf Arbeitslosengeld II für die Monate Juni und Juli 2013 lehnte der Beklagte ab, weil der Bedarf der Klägerin i.H.v. 694,50 EUR durch den Studienkredit vollständig gedeckt sei. Hiergegen klagte sie erfolglos. Auf ihre Berufung hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und den Beklagten zur Zahlung von Arbeitslosengeld II i.H.v. 694,50 EUR monatlich für Juni und Juli 2013 verurteilt. Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügte der Beklagte die Verletzung von § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II.
Die Einschreibung in das Masterstudium stand dem Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld II nicht entgegen. Nach § 7 Abs. 5 SGB II ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld II bei Studierenden nur ausgeschlossen, wenn die leistungsberechtigte Person „im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist”.
Hinweis:
Dem Grunde nach im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) förderungsfähig sind Ausbildungen an einer der Ausbildungsstätten nach § 2 Abs. 1-3 BAföG, während hiermit im Zusammenhang stehenden Praktika (§ 2 Abs. 4 BAföG), wenn sie mindestens ein Schulhalbjahr oder ein Semester dauern (§ 2 Abs. 5 BAföG) und die Arbeitskraft der Auszubildenden voll in Anspruch nehmen (§ 2 Abs. 5 BAföG; vgl. S. Knickrehm in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann (Hrsg.), Kommentar zum Sozialrecht. 7. Aufl. 2021, § 7 Rn 60). Unerheblich ist, ob die weiteren persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und die Auszubildenden ihren Lebensunterhalt anderweitig bestreiten können (vgl. S. Knickrehm a.a.O.). Von der vollen Inanspruchnahme der Arbeitskraft geht das BVerwG in ständiger Rechtsprechung aus, wenn die Ausbildung so angelegt ist, dass der Arbeitsaufwand für die Ausbildung 40 Stunden die Woche beträgt. Hiervon ist auszugehen, wenn nach der Studien- und Prüfungsordnung im Semester 30 ECTS-Punkte mit einem Zeitwert von 30 Zeitstunden zu erbringen sind (zu Einzelheiten siehe BeckOK SGB/Winkler § 2 BAföG Rn 26). Auf Teilzeit angelegte Ausbildungen, wie z.B. das berufsbegleitende Studium der Klägerin, sind nicht nach dem BAföG förderungsfähig und stehen damit einem Anspruch auf Arbeitslosengeld II nicht entgegen.
Nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossene Auszubildende erhalten allerdings unter den Voraussetzungen des § 27 SGB II Leistungen für Mehrbedarfe (Abs. 2) und – i.d.R. darlehensweise – laufende Leistungen zum Lebensunterhalt in Härtefällen (Abs. 3). Hierbei handelt es sich allerdings nach der ausdrücklichen gesetzlichen Klarstellung in § 27 Abs. 1 S. 2 nicht um Arbeitslosengeld II. Hiermit soll z.B. die Begründung einer Leistungsberechtigung für die Kinder durch eine alleinerziehende Studentin verhindern (BT-Drucks 17/3404, S. 104).
Die weiteren Voraussetzungen des Anspruches auf Arbeitslosengeld II waren erfüllt. Strittig war lediglich, ob der Studienkredit der Klägerin anzurechnen war.
Dies verneinte das BSG. Es führte seine ständige Rechtsprechung (zuletzt 24.6.2020 – B 4 AS 9/20 R Rn 24) fort, nach der zum Einkommen „alles, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält” zu rechnen ist, allerdings auf die Zuflüsse begrenzt, die der leistungsberechtigten Person zur endgültigen Verwendung verbleiben (so etwa BSG 17.6.2010 – B 14 AS 46/09 R). Da ein Darlehen der leistungsberechtigten Person nicht endgültig verbleibt, gehört es – abgesehen von Sozialleistungen (§ 11 Abs. 1 S. 3 SGB II) – nicht zum Einkommen (BSG v. 17.6.2010 – B 14 AS 46/09 R,...