1. StVO-Novelle 2020
Wie hier berichtet, ist die 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20.4.2020 (BGBl I, 814, sog. StVO-Novelle 2020) wegen eines Verstoßes gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG in Bezug auf § 26a Abs. 1 Nr. 3 StVG (Fahrverbot) verfassungswidrig. Nachdem sich am 16.4.2021 das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und die Verkehrsminister der Länder auf eine Reform der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) verständigt haben, hat nunmehr der Bundesrat der „Ersten VO zur Änderung der BKatV” am 8.10.2021 zugestimmt. Die 1. BKatVÄndV (v. 13.10.2021, BGBl I, 4688) tritt damit am 9.11.2021 in Kraft. Sie enthält die bereits in der StVO-Novelle vorgesehenen deutlichen Anhebungen der Regelgeldbußen bei Halt- und Parkverstößen. Die ursprüngliche Absenkung der Grenzwerte für die Anordnung eines Regelfahrverbots nach einem Geschwindigkeitsverstoß wurde nicht übernommen. Stattdessen wurden die Bußgeldsätze bei Geschwindigkeitsüberschreitungen erheblich angehoben (näher zur ÄnderungsVO Deutscher VRR 10/2020, 4 ff.).
2. Trunkenheits- und Drogenfahrten (§ 24a StVG)
Wird vor einer Atemalkoholmessung die sog. Kontrollzeit von 10 Minuten nicht eingehalten, führt das zumindest in den Fällen, in denen der Grenzwert gerade erreicht oder nur ganz geringfügig überschritten wird, zur Unverwertbarkeit der Messung (OLG Dresden DAR 2021, 463). Gerade die Annahme vorsätzlichen Handelns bedarf, jedenfalls wenn es nicht, wie z.B. beim Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO, in der Tat angelegt ist und sich von selbst versteht, ausdrücklicher Feststellung. Möchte das Tatgericht Nr. 241.1 BKat anwenden, so hat es mitzuteilen, welche im Fahreignungsregister nach § 24a StVG oder §§ 316, 315c Abs. 1a StGB eingetragene Entscheidung es verwerten und zum Anlass der Rechtsfolgenbemessung nehmen will (KG DAR 2021, 463 [Ls.]).
3. Das bußgeldrechtliche Fahrverbot (§§ 25 StVG, 4 BKatV)
Hinweis:
Zu Rechtsgrundlagen und Systematik des bußgeldrechtlichen Fahrverbots wird verwiesen auf Deutscher, in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl. 2021, Rn 1509 ff., 1732 ff.; Aktuelles zum bußgeldrechtlichen Fahrverbot bei Deutscher VRR 8/2021, 4.
a) Der Tatbestand des Fahrverbots
aa) Regelfälle
Seit Einführung der eKfV zum 15.6.2019 ist streitig, ob es sich bei E-Scootern um Kfz im strafrechtlichen Sinne handelt und ob bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter die Regelvermutung für die Entziehung der Fahrerlaubnis in § 69 Abs. 2 S. 2 StGB eingreift. Für die in § 24a StVG bußgeldbewehrte Trunkenheits- und Drogenfahrt hat das OLG Zweibrücken (Blutalkohol 58, 338 = VRR 8/2021, 24 m. Anm. Deutscher) nunmehr entschieden, dass die Art des geführten Kfz (hier E-Scooter) für die abstrakte Gefahr, die von einer Trunkenheitsfahrt für die Sicherheit des Straßenverkehrs ausgeht, keine derart bestimmende Bedeutung zukommt, dass dieser Umstand allein schon die Indizwirkung des Regelbeispiels nach §§ 25 Abs. 1 S. 2, 24a StVG für ein Fahrverbot entfallen lässt.
bb) Nicht-Regelfälle
Das KG (DAR 2021, 340 m Anm. Danner = VRR 5/2021, 24 m. Anm. Deutscher) hat sich der Ansicht des BayObLG (DAR 2019, 630 = zfs 2019, 588 m. Anm. Krenberger = VRR 9/2019, 22 [m. abl. Anm. Deutscher]; zfs 2020, 172 = NZV 2020, 321 m. Anm. Will) angeschlossen, wonach der folgenlos gebliebene vorsätzliche Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO (Benutzung elektronischer Geräte) wegen der regelmäßig gravierenden Beeinträchtigung der Fahrleistung anderen typischen Massenverstößen wie Geschwindigkeitsverstößen gleichsteht, weshalb bei Vorliegen entsprechender Vorahndungen die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines (unbenannten) beharrlichen Pflichtverstoßes in Betracht kommt.
b) Die Erforderlichkeit des Fahrverbots
Die Annahme, dass die Vollstreckung eines verfahrensfremden Fahrverbotes zwischen Tat und Urteil eine so weitgehende erzieherische Wirkung entfalten könnte, dass ein weiteres Fahrverbot entbehrlich wird, liegt nach BayObLG (Blutalkohol 58, 260 = VRR 8/2021, 20 m. Anm. Deutscher) bei einem Wiederholungstäter regelmäßig fern. Die Erforderlichkeit des Fahrverbots kann bei einem langen Zeitablauf zwischen Tat und Ahndung entfallen, wobei sich in der Rechtsprechung ein Richtwert von zwei Jahren herausgebildet hat. Das gilt allerdings nicht, wenn der erhebliche Zeitablauf vom Betroffenen zu vertreten ist, was bei der Ausschöpfung von Rechtsmitteln und prozessualen Rechten nicht der Fall ist. Eine Verschleppung liegt vor, wenn der Termin zur Hauptverhandlung auf Wunsch des Betroffenen oder seines Verteidigers verschoben wird und der Betroffene mehrfach ohne vorherige Entschuldigung zu Verhandlungsterminen nicht erscheint (OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.6.2021 – 1 OLG 53 Ss-OWi 221/21, juris; NZV 2021, 482 m. Anm. Rinio). Das OLG Hamm (DAR 2021, 398 = zfs 2021, 228) hat die h.A. bekräftigt, wonach die Grundsätze der vom BGH (BGHSt [GrS] 52, 124 = NJW 2008, 860) entwickelten Vollstreckungslösung bei einer festgestellten rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung entsprechend im Bußgeldverfahren anwendbar sind. Eine nach Erlass des erstinstanzlichen Bußgeldurteils eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (hier: rund neun Monate...