Das anwaltliche Berufsrecht ist eine Querschnittsmaterie par excellence. Die komprimierte Darstellung für den Studiengebrauch und Einstieg ins Rechtsgebiet ist deshalb sehr herausfordernd und, wenn diese so gelungen ist wie die anzuzeigende von Christian Deckenbrock und Lena Özman, sehr verdienstvoll. Das Buch gliedert sich in zwei Teile: Der erste ist dem anwaltlichen Berufsrecht gewidmet, der zweite, kürzere, dem Anwaltsvertrag und der Anwaltshaftung. Diese Darstellung hat gerade bei einem (kürzeren) Lehrbuch etwas für sich, weil sie so sofort die zwei Quellen der anwaltlichen Pflichten zu Tage treten lässt.
Die Autoren stellen zu Beginn im gebotenen Umfang die rechtstaatliche Fundierung der Anwaltsprofession dar. Zutreffend werden die verfassungsrechtlichen Interessen und Wertungen herausgearbeitet, die Gesetzgeber wie berufsständische Selbstverwaltung im Berufsrecht konkretisieren. Auch werden die jüngere Berufsrechtsgeschichte sowie die Rechtsquellen des Berufsrechts genannt, was der Orientierung und dem Systemverständnis der Materie sehr zuträglich ist. Nachdem die Zulassung zur Anwaltschaft, inklusive jener als Syndikus, präsentiert wird, legen die Autoren einen sichtbaren Schwerpunkt auf das anwaltliche Gesellschaftsrecht und nehmen die Entwicklungen im Realbereich – weg vom Einzelanwalt als Modell – darstellerisch auf, u.a. auch bei der Bearbeitung der anwaltlichen Unabhängigkeit und der anwaltlichen Verschwiegenheit. Der gewachsenen Bedeutung der Organisationsfreiheit wird so Rechnung getragen; das Werk ist auf dem Stand vom 1.8.2022. Innerhalb der Darstellung der Berufspflichten ist zum einen die bereits erwähnte Präsentation des Berufsgeheimnisses in seinen anwalts-, straf- und verfahrensrechtlichen Dimensionen hervorzuheben. Gleiches gilt, was Breite und Tiefe betrifft, für die Darstellung des so komplexen wie praxisrelevanten Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen. In Teil 2 wird der Anwaltsvertrag anschaulich dargestellt. Auch die kenntnisreiche Darstellung der Haftung vermag zu gefallen. Den Verfassern gelingt es insgesamt, den Blick zwischen den großen Strukturen und den konkreten Herausforderungen hin und her pendeln zu lassen, ohne sich in Details zu verlieren, aber auch ohne in Allgemeinplätze abzurutschen.
Viele Gründe sprechen dafür, das anwaltliche Berufsrecht nicht nur als Orchideenfach zu begreifen. Der deutsche Gesetzgeber hat dies nun auch in § 43f BRAO nachvollzogen und hat als „unechte Zulassungsvoraussetzung” den Nachweis von Berufsrechtskenntnissen angeordnet. Wie immer man diesen Nachweis wird erbringen dürfen – den von dieser Norm geforderten Inhalt vermittelt das Lehrbuch umfassend und verständlich, was es zu einer uneingeschränkten Leseempfehlung macht.
Maximilian Gerhold, wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Medien- und Informationsrecht (Prof. Dr. Kai von Lewinski) der Universität Passau