Kann die Rollenwahl aus unterhaltsrechtlicher Sicht gebilligt werden, besteht Einigkeit, dass dies nicht zum völligen Wegfall des Unterhaltsanspruchs des Kindes K1 führen kann.
Als Anknüpfungspunkte für eine hierfür erforderlich unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen wieder verheirateten kinderbetreuenden Elternteils kommen in Betracht:
- der Anspruch auf Familienunterhalt nach § 1360 BGB,
- das Haushaltsgeld bzw. Wirtschaftsgeld,
- sein Taschengeld und
- (hypothetische) Einkünfte
aa) Anspruch auf Familienunterhalt
Ist kein ausreichendes tatsächliches oder hypothetisches Einkommen zur Begründung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit vorhanden, könnte als Basis für einen Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes auch der Anspruch des unterhaltspflichtigen Elternteils gegen seinen neuen Ehepartner auf Familienunterhalt nach § 1360 BGB herangezogen werden (zum Familienunterhalt s. auch BGH, Urt. v. 12.12.2012 – XII ZR 43/11, NJW 2013, 686). Dabei ist dieser Unterhaltsanspruch bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit nicht erst im Rahmen einer verschärften Leistungspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen, sondern auch schon bei der Beurteilung der „normalen” Leistungsfähigkeit i.R.d. § 1603 Abs. 1 BGB (BGH, Urt. v. 20.3.2002 – XII ZR 216/00, NJW 2002, 1646 ff.; BGH, Urt. v. 29.10.2003 – XII ZR 115/01, NJW 2003, 3770).
Jeder Ehegatte hat für den Unterhalt der Familie seine Arbeitskraft und sein Vermögen einzusetzen. Dabei muss nicht jeder in gleicher Weise tätig werden, sondern es hängt von den persönlichen Fähigkeiten und von der zwischen den Ehegatten gewählten Verteilung der Aufgaben ab (§ 1360 BGB). Führt ein Ehegatte den Haushalt, dann gilt die Haushaltsführung als gleichwertiger Beitrag zum Familienunterhalt (§ 1360 S. 2 BGB).
Zur Berechnung des Familienunterhaltsanspruchs wird das bereinigte Einkommen beider Eheleute zusammengerechnet; der Anspruch auf Familienunterhalt beläuft sich auf die Hälfte dieses Gesamteinkommens (BGH, Urt. v. 20.3.2002 – XII ZR 216/00, NJW 2002, 1646). Denn bei der Bemessung des Familienunterhalts gilt uneingeschränkt der Halbteilungsgrundsatz, sodass kein Erwerbstätigenbonus abgezogen werden darf (BGH, Urt. v. 12.12.2012 – XII ZR 43/11; FamRZ 2013, 363, BGH, Urt. v. 14.1.2004 – XII ZR 149/01, FamRZ 2004, 792, 794; BGH, Urt. v. 20.3.2002 – XII ZR 216/00, FamRZ 2002, 742).
Da aber der neue Ehepartner des unterhaltspflichtigen Ehegatten nicht gesteigert unterhaltspflichtig ist, muss auch i.R.d. geschuldeten Familienunterhalts sein Ehegattenselbstbehalt berücksichtigt werden (BGH, Urt. v. 12.4.2006 – XII ZR 31/04, FamRZ 2006, 1010).
Jedoch ist der Familienunterhalt gesetzlich ausgestaltet als Teilhabeanspruch beider Ehegatten für sich und die Kinder an den gemeinsam erwirtschafteten Einkünften. Der Anspruch geht damit folglich regelmäßig nicht auf Geldzahlung, sondern nur auf Teilhabe am Familieneinkommen (also Mitnutzung der Wohnung und der angeschafften Gegenstände; BGH, Urt. v. 12.12.2012 – XII ZR 43/11, NJW 2013, 686; FamRZ 2013, 363; BGH FamRZ 2003, 860, 865). Damit scheidet der Familienunterhalt als unmittelbare Begründung für die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen aus.
bb) Anspruch auf Taschengeld
Der Anspruch auf Taschengeld ist Bestandteil des Familienunterhalts nach den §§ 1360, 1360a BGB und ist gerichtet auf einen Geldbetrag, der dem Ehegatten die Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse nach eigenem Gutdünken und freier Wahl unabhängig von einer Mitsprache des anderen Ehegatten ermöglichen soll. Es dient daher zunächst dem Zweck, die notwendigen Bedürfnisse des Unterhaltspflichtigen und damit seinen, auch gegenüber den minderjährigen Kindern zu wahrenden, notwendigen Selbstbehalt sicherzustellen. Erlangt der unterhaltspflichtige Elternteil allerdings von seinem neuen Ehegatten Unterhalt, der über den gegenüber seinen minderjährigen Kindern aus erster Ehe zu wahrenden notwendigen Selbstbehalt hinausgeht, kann auch auf das Taschengeld für den Unterhalt Dritter zugegriffen werden (BGH, Beschl. v. 23.7.2014 – XII ZB 489/13, NJW 2014, 2570; BGH, Urt. v. 5.10.2006 – XII ZR 197/02, FamRZ 2006, 1827; OLG Köln, Beschl. v. 30.7.2012 – 4 UF 49/12, FamFR 2012, 439; zum Taschengeldanspruch beim Elternunterhalt s. BGH, Urt. v. 12.12.2012 – XII ZR 43/11, NJW 2013, 686; Dose FamRZ 2013, 993, 1000; OLG Braunschweig, Urt. v. 16.7.2013 – 2 UF 161/09, FamRZ 2014, 481).
Der Taschengeldanspruch beträgt aber in aller Regel lediglich 5–7 % des zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens der Eheleute (BGH, Urt. v 12.12.2012 – XII ZR 43/11, FamRZ 2013, 363; BGH, Urt. v. 21.1.1998 – XII ZR 140/96, FamRZ 1998, 608; OLG Celle, Urt. v. 12.5.1998 – 18 UF 236/97, OLGR Celle 1998, 227) und reicht daher regelmäßig nicht aus, den Kindesunterhalt voll zu decken.
cc) Anspruch auf Haushaltsgeld
Zwar erhält der Unterhaltspflichtige V von seinem Ehegatten Haushalts- oder Wirtschaftsgeld. Das Wirtschaftsgeld als Teil des Familienunterhalts umfasst die zur Deckung des Lebensbedarfs der Familie erforderlichen Geldmittel ohne das Taschengeld. Maßgebend f...