Wenn ein Kind oder mehrere Kinder aus der neuen Beziehung des barunterhaltspflichtigen Elternteils hervorgegangen sind, ergeben sich keine Probleme, soweit das unterhaltsrelevante Einkommen dieses Elternteils ausreicht, alle Unterhaltsansprüche der minderjährigen Kinder vollständig zu erfüllen. Reicht dessen Einkommen nicht aus, ist das nach Abzug des notwendigen Selbstbehalts verbleibende Einkommen zwischen den Kindern aufzuteilen (s. im Folgenden „Unterhaltsberechnung im Mangelfall”).
Probleme ergeben sich auch dann, wenn sich der barunterhaltspflichtige Elternteil in seiner neuen Beziehung in Absprache mit seiner neuen Partnerin dazu entschließt, die Kinderbetreuung dieses jüngeren Kindes zu übernehmen, seine Erwerbstätigkeit entsprechend einzuschränken und dann die Unterhaltszahlungen an das ältere Kind einstellt (s. im Folgenden „Kinderbetreuender unterhaltspflichtiger Elternteil”)
1. Unterhaltsberechnung im Mangelfall
Reicht das nach Abzug des notwendigen Selbstbehalts verbleibende Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils nicht aus, den Bedarf aller Kinder zu decken, muss eine Mangelfallberechnung vorgenommen werden.
Beispiel:
Der Kindesvater verfügt über ein bereinigtes Einkommen von 1.600 EUR und ist zwei Kindern gegenüber zu Unterhaltszahlungen verpflichtet:
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bereinigtes Nettoeinkommen |
1.600,00 EUR |
abzgl. Zahlbetrag Unterhalt Kind 1 (13 Jahre) |
–423,50 EUR |
abzgl. Zahlbetrag Unterhalt Kind 2 (7 Jahre) |
–345,50 EUR |
verbleiben |
831,00 EUR |
Selbstbehalt gegenüber Kindern |
1.160,00 EUR |
Da sein Selbstbehalt von 1.160 EUR hier unterschritten ist, muss eine Mangelfallberechnung durchgeführt werden. Zieht man vom bereinigten Nettoeinkommen den notwendigen Selbstbehalt von derzeit 1.160 EUR ab, bleiben als Verteilungsmasse 440 EUR übrig.
Aus den zuvor errechneten Unterhaltsansprüchen der Kinder ist deren gesamter Bedarf zu ermitteln und der sich daraus ergebende Anteil eines jeden Kindes als prozentuale Quote:
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Zahlbetrag |
Anteil |
Unterhalt Kind 1 (13 Jahre) |
423,50 EUR |
55,07 % |
Unterhalt Kind 2 (7 Jahre) |
345,50 EUR |
44,93 % |
Gesamtbedarf |
769,00 EUR |
100 % |
Sodann ist die vorhandene Verteilungsmasse mit Hilfe dieses Prozentsatzes auf die Kinder aufzuteilen und so der von jedem Kind zu beanspruchenden Betrag zu ermitteln.
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Quote |
Betrag |
Zahlbetrag Unterhalt Kind 1 (13 Jahre) |
55,07 % |
242,31 EUR |
Zahlbetrag Unterhalt Kind 2 (7 Jahre) |
44,93 % |
197,69 EUR |
Gesamtbedarf |
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440,00 EUR |
Jedes Kind kann also nur einen anteilig reduzierten Anspruch durchsetzen.
2. Kinderbetreuender unterhaltspflichtiger Elternteil
Beispiel:
Die Mutter M des bei ihr lebenden Kindes K1 macht Unterhalt gegen den Kindesvater V geltend. Der Vater V des Kindes K hat geheiratet und lebt mit seiner Ehefrau EF zusammen, die über Erwerbseinkommen verfügt. Aus dieser Ehe ist Kind K2 hervorgegangen. Der Kindesvater beruft sich darauf, dass er in seiner neuen Ehe die Aufgabe der Kinderbetreuung und Haushaltsführung übernommen habe und daher keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könne und müsse. Daher sei er unterhaltsrechtlich nicht leistungsfähig.
Hier scheidet der direkte Rückgriff auf ein fiktives Einkommen wegen der Verletzung seiner Erwerbsobliegenheit aus, soweit der barunterhaltspflichtige Elternteil mit seiner Übernahme der Kindesbetreuung einen unterhaltsrechtlich zu akzeptierenden Grund für seinen – völligen oder teilweisen – Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit vorweisen kann.
Mit diesen Lebenssituationen im Falle einer erneuten Heirat des Kindesvaters hat sich der BGH in seiner sog. Hausmannrechtsprechung befasst.
Nach § 1360 BGB sind beide Ehegatten verpflichtet, die Familie durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen angemessen zu unterhalten. Es steht den Ehegatten jedoch frei, ihre Ehe so zu führen, dass ein Partner allein einer Berufstätigkeit nachgeht und der andere sich der Familienarbeit widmet. Ebenso können sie sich dafür entscheiden, beide einen Beruf ganz oder teilweise auszuüben und sich die Hausarbeit und Kinderbetreuung zu teilen oder diese durch Dritte ausführen zu lassen (BGH, Urt. v. 21.1.2009 – XII ZR 54/06, FamRZ 2009, 762; BGH, Urt. v. 15.10.2003 – XII ZR 122/00, FamRZ 2004, 366, 369). Daher sind die Partner der neuen Ehe nicht gehindert, die Gestaltung ihrer Ehe selbst zu regeln und die jeweilige Rolle des Partners frei zu wählen.
Jedoch darf diese Gestaltung der jetzigen Ehe durch die konkrete Rollenwahl der Ehegatten keinen nachteiligen Einfluss auf den Kindesunterhalt haben. Die Mitwirkung an einer solchen Gestaltung kann einem Ehegatten jedenfalls im Verhältnis zu seinen unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindern aus einer früheren Beziehung oder Ehe – hier also im Fallbeispiel K1 – nach Treu und Glauben u.U. verwehrt sein (BGH, Urt. v. 25.4.2007 – XII ZR 189/04, FamRZ 2007, 1081, 1082).
Wären aus der neuen Ehe keine betreuungsbedürftigen Kinder hervorgegangen, so könnte sich der unterhaltspflichtige Elternteil gegenüber seinem minderjährigen Kind aus der früheren Beziehung regelmäßig nicht auf eine Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit durch die Rollenwahl der Haushaltsführung berufen (BGH, Urt. v. 18.10.2000 – XII ...