Zusammenfassung
Das „herkömmliche Unterhaltsrecht” geht für den Unterhalt der Partner noch von der Ehe als rechtliche Grundlage aus und regelt den Unterhalt unverheirateter Partner nur in einer Norm – § 1615l BGB. Die heutige Lebenswirklichkeit ist jedoch weitaus vielschichtiger und kennt durchaus auch Zweitehen und Zweitpartnerschaften, gelegentlich auch Mehrfachehen und Mehrfachpartnerschaften. Vielfach sind Kinder aus diesen unterschiedlichen Beziehungen vorhanden, sodass sich die verwandtschaftliche Situation durchaus mit der Floskel „Meine Kinder, Deine Kinder, unsere Kinder” kennzeichnen lässt. Herausforderungen in der familienrechtlichen Beratungspraxis stellen sich dabei nicht selten bei Fragen des Sorge- und Umgangsrechts. Gegenstand dieses Beitrags soll jedoch die unterhaltsrechtliche Situation in diesen differenzierten und vielschichtigen Konstellationen der sog. Patchworkfamilien sein. Im nachfolgenden Teil 1 des Beitrags wird der Unterhalt einzelner und mehrerer minderjähriger Kinder erläutert. Teil 2 (demnächst in ZAP 2022, F. 11) behandelt die Themen Ehegattenunterhalt und Auskunftsansprüche.
I. Unterhalt eines einzelnen minderjährigen Kindes in der Patchworkfamilie
Der Unterhaltsanspruch eines minderjährigen Kindes, der vom betreuenden Elternteil geltend gemacht werden kann (§ 1629 BGB), richtet sich gegen den nicht-betreuenden Elternteil und bemisst sich nach dessen bereinigten Einkommen. Verpflichtet zur Zahlung von Minderjährigenunterhalt ist immer der Elternteil, der das Kind nicht betreut, denn der Elternteil, der ein minderjähriges Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, i.d.R. durch die Pflege und die Erziehung des Kindes (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB). Die Betreuung durch den anderen Elternteil und erbrachte Naturalleistungen dieses Elternteils führen nicht zu einer Reduzierung dieses Barunterhaltsanspruchs. Besonderheiten bei der Ausübung eines paritätischen Wechselmodells werden hier nicht behandelt; auch auf die Fallgestaltung des § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB wird in diesem Beitrag nicht eingegangen.
Bei der Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind aus §§ 1602 ff. BGB kommt es nicht darauf an, ob die Eltern verheiratet sind oder waren und ob sie jemals zusammengelebt haben. Patchworksituationen können nun auf Seiten des Kindes (und des betreuenden Elternteils) und auf Seiten des barunterhaltspflichtigen Elternteils auftreten.
1. Unterhaltsberechtigtes Kind lebt bei seinem Elternteil in der neuen (Patchwork-)Familie
Beispiel:
Die Mutter M des Kindes K hat wieder geheiratet und lebt mit ihrem Ehemann EM und dem Kind zusammen. Es wird Unterhalt gegen den Kindesvater V geltend gemacht. V beruft sich darauf, dass es K in seiner neuen Familie angesichts des Einkommens von EM sehr gut gehe, es ihm an nichts fehle und er daher keinen Unterhalt benötige.
Der Unterhaltsanspruch des Kindes besteht unabhängig von der Lebenssituation des betreuenden Elternteils. Naturgemäß nimmt das Kind, das in der neuen Familie lebt, auch Teil an den Naturalleistungen des neuen Partners des eigenen Elternteils. Dies führt aber nicht zu einer unterhaltsrechtlichen Bedarfsdeckung und Entlastung des barunterhaltspflichtigen Elternteils, sondern ist aus unterhaltsrechtlicher Sicht als nicht anzurechnende freiwillige Leistung eines Dritten einzustufen.
2. Unterhaltspflichtiger Elternteil ist verheiratet
a) Barunterhaltspflichtiger Elternteil genügt seiner Erwerbsobliegenheit nicht
Für den barunterhaltspflichtigen Elternteil besteht eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit. Darüber hinausgehend kann dieser Elternteil aufgrund der verschärften Haftung gem. § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB gegenüber Minderjährigen auch zu einer Nebentätigkeit verpflichtet sein, wenn sein reguläres Einkommen nicht reicht, um wenigstens den Mindestunterhalt des Kindes zu decken (BGH, Beschl. v. 24.9.2014 – XII ZB 111/13, FamRZ 2014, 1992; NJW 2014, 3784, ausführlich Viefhues jurisPK BGB, 2020, § 1603 Rn 962 ff.).
Wenn der unterhaltspflichtige Elternteil eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese bei gutem Willen ausüben könnte, können deswegen nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktive Einkünfte berücksichtigt werden, die er bei zumutbarem Einsatz seiner Arbeitskraft erzielen könnte (BGH, Beschl. v. 19.6.2013 – XII ZB 39/11, juris; NJW 2013, 2595 m.w.N., Einzelheiten zum fiktiven Einkommen s. Viefhues FuR 2015, 66; Wönne FF 2013, 476; Jüdt FuR 2012, 520; Graba FamRZ 2001, 1257). Denn für die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Elternteils kommt es nicht nur auf sein tatsächlich erzieltes Einkommen an, sondern es kann auch auf das Einkommen abgestellt werden, dass er bei zumutbarem Einsatz seiner Arbeitskraft – also bei Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheit – erzielen könnte. Die Darlegungslast liegt auch hier beim Unterhaltspflichtigen.
b) Ehegattenunterhalt ist gegenüber dem Minderjährigenunterhalt nicht abzugsfähig
Beispiel:
Der Ex-Ehemann und Vater V des Kindes K hat wieder geheiratet und lebt mit seiner neuen Ehefrau EF zusammen. Die Mutter M des bei ihr lebenden Kindes K macht Unterhalt gegen den Kindesvater V geltend. Der Kindesvater beruft sich darauf, dass er jetzt seine neue Ehefrau EF unterhalten müsse, die keiner Erwerbstätigkeit
Auch hier gilt der Grundsatz des § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB mit der Folge, dass der betreu...