1. Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht wegen Annahme eines besonderen Härtefalls
Bei der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht stellt sich die Frage, ob es ausreichend ist, dass ein Betroffener mit geringem Einkommen, ohne sich um Sozialleistungen bemüht zu haben, sich zur Begründung eines Befreiungsanspruchs auf der Grundlage der Härtefall-Regelung in § 4 Abs. 6 RBStV auf die bloße Behauptung stützen kann, er gehöre zu dem einkommensschwachen Personenkreis, der Anspruch auf (ergänzende) „Transferleistungen” i.S.d. § 4 Abs. 1 RBStV, wie (ergänzende) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII, habe.
Das OVG Nordrhein-Westfalen hat in seinem Beschl. v. 23.5.2022 (2 A 2434/21) dargelegt, zwar könne auch aus Gründen der durch die Beitragspflicht herbeigeführten wirtschaftlichen Belastung die Anwendung des in § 4 Abs. 1 RBStV verankerten Systems der bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit zu groben Unbilligkeiten führen, die in bestimmten Fallgruppen die Annahme eines besonderen Härtefalls nach § 4 Abs. 6 RBStV rechtfertigten. Eine solche Fallgestaltung liege etwa bei Beitragsschuldnern vor, die ein den Regelleistungen entsprechendes oder geringeres Einkommen hätten und nicht auf verwertbares Vermögen zurückgreifen könnten, die aber – wie etwa Studierende aufgrund der Regelung des § 7 Abs. 5 SGB II – von der Gewährung der in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Sozialleistungen ausgeschlossen seien. Die Härtefallregelung erlaube danach sowohl Personengruppen, deren Bedürftigkeit der Rundfunkgesetzgeber in § 4 Abs. 1 RBStV von vornherein nicht erfasst habe, als auch Betroffene, die dem Grunde nach einer der in § 4 Abs. 1 RBStV katalogisierten Bedürftigkeitsgruppen unterfielen, aber die (sonstigen) Voraussetzungen nicht erfüllten, von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien, wenn deren Schlechterstellung gegenüber den nach § 4 Abs. 1 RBStV auf Antrag von der Beitragspflicht befreiten Personengruppen am Maßstab von Art. 3 Abs. 1 GG auf keinem sachlichen Grund beruhe. Maßstab der Prüfung sei, dass die mit der Typisierung verbundene Härte nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre, sie lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen beträfe und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv wäre.
Hinweis:
Danach greift die Härtefallregel allerdings nicht schon dann, wenn einkommensschwache Personen ohne besonderen Grund auf einen Antrag auf Bescheidung ihres – aus ihrer Sicht bestehenden – Anspruchs auf Sozialleistungen nach § 4 Abs. 1 RBStV verzichten. Vielmehr hat es diese Personengruppe grds. selbst in der Hand, durch einen entsprechenden Antrag in den Genuss einer Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht zu kommen.
Entsprechende Bemühungen, staatliche Sozialleistungen zu erlangen, sind dem Betroffenen regelmäßig zuzumuten. Von einer schlechterdings nicht mehr zu rechtfertigenden Schlechterstellung gegenüber nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 RBStV befreiten Personen ist in diesen Fällen regelmäßig nicht auszugehen.
2. Übernachtungsteuer für beruflich veranlasste Übernachtungen
Eine Vielzahl von Städten und Gemeinden haben in den letzten eineinhalb Jahrzehnten eine Steuer auf entgeltliche Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben im Gemeindegebiet eingeführt. Diese sog. Übernachtungsteuer, Hotelsteuer oder Bettensteuer beläuft sich zumeist auf einen niedrigen Prozentsatz des Übernachtungspreises (Nettoentgelt) und wird i.d.R. vom Übernachtungsgast bei der Buchung oder der Anmeldung im Beherbergungsbetrieb bezahlt. Seitdem der Bundesgesetzgeber zur Entlastung des Beherbergungsgewerbes mit dem Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) vom 22.12.2009 (BGBl I S. 3950) zum 1.1.2010 den Umsatzsteuersatz für die unternehmerische Vermietung von Wohn- und Schlafräumen auf sieben % ermäßigt hat (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 Umsatzsteuergesetz – UStG), wird nunmehr eine Übernachtungsteuer von einzelnen Ländern wie Berlin, Bremen, Hamburg sowie mehreren Städten und Gemeinden im Bundesgebiet erhoben.
Das BVerfG hat in seinem Beschl. v. 22.3.2022 (1 BvR 2868/15, 1 BvR 2886/15, 1 BvR 2887/15, 1 BvR 354/16, Nds MBl 2022, 692 = BB 2022, 1370 ff. = HFR 2022, 676 ff. = Städte- und Gemeinderat 2022, Nr. 7–8, 37 f. = NVwZ 2022, 1038 ff. = ZKF 2022, 159 ff.) festgestellt, die Erhebung von Übernachtungsteuern als Auferlegung einer Geldleistungspflicht greife zwar in persönliche Freiheitsrechte und ihre Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich der Hotelunternehmer sowie ihre Indienstnahme als Zahlstelle für Übernachtungssteuern in die Berufsfreiheit ein. Die Eingriffe seien jedoch gerechtfertigt.
Zur Begründung führt das BVerfG aus, die Erhebung einer Steuer auf entgeltliche Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben stelle als Auferlegung einer Geldleistungspflicht einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit und die persönliche Freiheitsentfaltung im vermögensrechtlichen Bereich dar. Neben der finanziellen Belastung durch die Übernachtungsteuer seien die Hotelunternehmer auch in ihrer von Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG geschützten Berufsfreiheit betroffen, da sie in ihrer Berufstätigkeit als Steuerschuldner für die Steuererhebung a...