Auch im Berichtszeitraum lag ein Schwerpunkt strafgerichtlicher Entscheidungen auf Fragen rund um den Tatbestand des § 315d StGB. Auf Vorlage des AG Villingen-Schwenningen (DAR 2020, 218 = VRR 3/2020, 18 = StRR 3/2020, 32 [jew. Deutscher]) hat das BVerfG (NJW 2022, 184 = NZV 2022, 184 m. Anm. Obermann = DAR 2022, 255 m. Anm. Zopf = VRR 3/2022, 21 = StRR 4/2022, 35 [jew. Deutscher]) entschieden, dass der „Alleinraser”-Tatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB hinreichend bestimmt und verfassungsgemäß ist. Eine unzulässige Verschleifung strafrechtlicher Tatbestandsmerkmale liege nicht vor (zum Begriff des Rennens Steinert SVR 2022, 201). Gleichwohl bleibt es für die Praxis im Einzelfall schwierig, bloß bußgeldrechtlich relevante hohe Geschwindigkeitsverstöße von strafbarem Verhalten abzugrenzen. Das objektive Erreichen der maximal möglichen Geschwindigkeit ist nicht ohne Weiteres gleichzusetzen mit dem zielgerichteten Willen des Täters, die gefahrene Geschwindigkeit nach seinen subjektiven Vorstellungen bis zur Grenze der situativ möglichen Höchstgeschwindigkeit zu steigern, sondern besitzt nur einen gewissen Indizwert für die subjektive Tatseite. Die Annahme einer entsprechenden Absicht bedarf daher weiterer tatrichterlicher Ausführungen. Die diesbezüglichen Beweiserwägungen des Tatgerichts sind dann lückenhaft, wenn ihnen nicht zu entnehmen ist, dass das auf ein Ausleben aufgestauter Aggressionen ausgerichtete Handlungsziel des Angeklagten aus seiner Sicht i.S. eines notwendigen Zwischenziels gerade durch ein Fahren mit der nach seinen Vorstellungen situativ max. möglichen Geschwindigkeit erreicht werden sollte (BGH NStZ-RR 2022, 258 Ls.). Für die Frage, ob von einer nicht angepassten Geschwindigkeit i.S.v. § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB auszugehen ist, ist entscheidend, ob das Fahrzeug bei der Geschwindigkeit noch sicher beherrscht werden kann, wobei die zulässige Höchstgeschwindigkeit lediglich ein Indiz darstellt. Eine Fortbewegung mit nicht angepasster Geschwindigkeit ist ein gegen Geschwindigkeitsbegrenzungen verstoßendes oder der konkreten Verkehrssituation zuwiderlaufendes Fahren, wobei die Geschwindigkeit insb. den Straßen-, Sicht- und Wetterverhältnissen anzupassen ist. Darüber hinaus richtet sich die angepasste Geschwindigkeit auch nach der Leistungsfähigkeit des Fahrzeugführers sowie dem technischen Zustand des Fahrzeugs. Im Rahmen der Beweiswürdigung kann eine valide Schätzung der gefahrenen Geschwindigkeit ausreichen. Bei der „Höchstgeschwindigkeitserzielungsabsicht” muss sich die Zielsetzung des Täters darauf richten, unter den konkreten situativen Gegebenheiten eine so hoch wie nur mögliche Geschwindigkeit zu erreichen, wobei eine weitergehende Motivation des Täters nicht ausgeschlossen ist (KG VRR 9/2022, 14 = StRR 9/2022, 25 [jew. Deutscher]). Sogenannte Donuts (360-Grad-Kehren) sind kein unerlaubtes Kraftfahrzeugrennen und unterfallen nicht § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB, können aber als Nötigung strafbar sein (KG DAR 2022, 393 = VRR 6/2022, 15 = StRR 5/2022, 34 [jew. Burhoff]).

Parallel zu den Fragen der Beteiligungsformen behandelnden Entscheidung (BGH NJW 2022, 483 = NZV 2022, 128 m. Anm. Preuß = DAR 2022, 105 = NStZ 2022, 292 m. Anm. Kulhanek = VRR 1/2022, 14 = StRR 5/2022, 29 [jew. Deutscher]) hat sich der BGH zur objektiven und subjektiven Zurechnung der Erfolgsqualifikation des Todes eines anderen Menschen positioniert (NZV 2022, 290 m. Anm. Nowrousian = StraFo 2022, 122 = VRR 2/2022, 13 = StRR 5/2022, 32 [jew. Deutscher]). Der Teilnehmer an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen i.S.d. § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt den als eigenhändiges Delikt ausgestalteten Qualifikationstatbestand des § 315d Abs. 2 StGB in objektiver Hinsicht, wenn er durch sein eigenes Fahrverhalten während der Rennteilnahme eine konkrete Gefahr für eines der genannten Individualrechtsgüter verursacht und zwischen seinem Verursachungsbeitrag und dem Gefährdungserfolg ein innerer Zusammenhang besteht. Eine mittäterschaftliche Zurechnung des Rennverhaltens der anderen Rennteilnehmer und sich allein daraus ergebender konkreter Gefahren scheidet aus. Allerdings kann eine Nebentäterschaft vorliegen, wenn ein und derselbe Gefährdungserfolg von mehreren Rennteilnehmern herbeigeführt wird. Dies setzt aber voraus, dass sich die Rennteilnehmer in derselben Rennsituation befinden und zwischen den jeweiligen Mitverursachungsbeiträgen und dem konkreten Gefährdungserfolg ein örtlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht. Der Senat neigt zu der Annahme, dass der Gefahrverwirklichungszusammenhang zwischen § 315d Abs. 2 und 5 StGB verlangt, dass sich im qualifizierenden Erfolg auch gerade der vorsätzlich herbeigeführte konkrete Gefahrerfolg niederschlägt. Dies ist aber in Bezug auf die Erfolgsqualifikation des Todes eines anderen Menschen gem. § 315d Abs. 5 Alt. 1 StGB nur dann der Fall, wenn der Täter bei der Verwirklichung des Tatbestandes des § 315d Abs. 2 StGB auch im Hinblick auf die Gefährdung des Lebens anderer Menschen vorsätzlich ge...

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