a) Fiktive Abrechnung
Ein Geschädigter hat grds. die Wahl, ob er nach einer Beschädigung seines Pkw die tatsächlich angefallenen oder die ausweislich eines Sachverständigengutachtens erforderlichen Reparaturkosten als Schadenersatz geltend macht. Der Geschädigte, der statt der wirtschaftlich gebotenen Reparatur ein Ersatzfahrzeug erwirbt, kann die tatsächlich angefallenen Kosten der Ersatzbeschaffung bis zur Höhe der – hypothetisch erforderlichen – Reparaturkosten beanspruchen. Wählt der Geschädigte den Weg der fiktiven Schadensabrechnung, kann er den Ersatz von Umsatzsteuer nicht verlangen. Dies gilt auch dann, wenn im Rahmen einer durchgeführten Reparatur oder Ersatzbeschaffung tatsächlich Umsatzsteuer angefallen ist. Eine Kombination fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist insoweit nicht zulässig (BGH NJW 2022, 543 = DAR 2022, 202 = zfs 2022, 134 m. Anm. Scholten = VRR 8/2022, 11 [Nugel]). Bekräftigt wird dieser Ansatz von BGH NJW 2022, 1884 m. Anm. Heßeler = DAR 2022, 446 m. Anm. Ehlscheid = NZV 2022, 424 m. Anm. Moser: Eine Kombination fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist insoweit nicht zulässig (hier: Teilreparatur zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit des Unfallfahrzeugs).
Hinweis:
Zur Auswirkung von Vorschäden OLG Celle zfs 2022, 81 = VRR 8/2022, 13 [Nugel]; OLG Hamm und LG Bochum VRR 8/2022, 14 [Nugel]; OLG Brandenburg DAR 2022, 448 m. Anm. Roß.
b) Kosten der Fahrzeugdesinfektion (Corona)
Es ist umstritten, ob wegen der Corona-Pandemie nach erfolgter Reparatur eines Fahrzeugs die Kosten für eine Fahrzeugdesinfektion zu erstatten sind. Nach Ansicht des LG Köln (DAR 2022, 346) sind die Kosten einer Oberflächendesinfektion i.R.d. Erstattung der Schäden aus einem Autounfall erstattungsfähig. Anders das LG Saarbücken (NJW-RR 2022, 897 = zfs 2022, 495): Der allgemeine Aufwand für die Beschaffung von Desinfektionsmaterial aus Anlass der Corona-Pandemie und der Zeitaufwand für die Desinfektion des Kundenfahrzeugs sind den durch das Grundhonorar des Schadengutachters abgegoltenen Gemeinkosten zuzuordnen; die Abrechnung einer „Desinfektionspauschale Covid-19” als Nebenkosten kommt damit nicht in Betracht (ebenso LG Wuppertal zfs 2022, 406).
c) Werkstattrisiko
Übergibt der Geschädigte das beschädigte Fahrzeug an eine Fachwerkstatt zur Instandsetzung, ohne dass ihn insoweit ein (insb. Auswahl- oder Überwachungs-)Verschulden trifft, so sind die dadurch anfallenden Reparaturkosten im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger deshalb auch dann vollumfänglich ersatzfähig, wenn sie aufgrund unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt im Vergleich zu dem, was für eine entsprechende Reparatur sonst üblich ist, unangemessen sind (sog. Werkstattrisiko); in einem solchen Fall spielen ggf. bestehende Ansprüche des Geschädigten gegen den Werkstattbetreiber nur insoweit eine Rolle, als der Schädiger i.R.d. Vorteilsausgleichs deren Abtretung verlangen kann (BGH NJW 2022, 2840 = zfs 2022, 439).
d) Schadensposten
Die Anmietung eines Ersatztaxis durch den geschädigten Taxiunternehmer ist ausgeschlossen, wenn die durch die Anmietung des Ersatzfahrzeugs entstehenden Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand darstellen. Dieses ist der Fall, wenn die Netto-Mietwagenkosten, gekürzt um ersparte Eigenaufwendungen, und der Gewinn, der durch den Einsatz des Ersatztaxis erwirtschaftet wird, deutlich voneinander abweichen. Werden mit dem Ersatzfahrzeug täglich 121 EUR erwirtschaftet und stehen dem tägliche Mietkosten von 206 EUR gegenüber, ist dieses nicht unverhältnismäßig (LG Bonn NJW-RR 2022, 179 = NZV 2022, 249 [Ugur]).
e) Prozessuale Fragen
Den durch einen Verkehrsunfall Geschädigten trifft grds. die Darlegungslast hinsichtlich des erforderlichen Wiederherstellungsaufwandes. Dieser Darlegungslast genügt der Geschädigte regelmäßig durch Vorlage der sachverständigen Begutachtung seines Fahrzeugs. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrags zur Schadensbehebung reicht dann grds. nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen (LG Köln DAR 2022, 348). Die Prüffrist eines Kfz-Haftpflichtversicherers zur Regulierung von Unfallschäden ist einzelfallbezogen zu bestimmen und beläuft sich auf vier Wochen, wenn ein einfach gelagerter Sachverhalt mit klarer Haftungslage gegeben ist, dem Versicherer bereits ein Sachverständigenbericht vorliegt und der Versicherer letztlich nur ohne triftigen Grund die Einsichtnahme in die polizeiliche Ermittlungsakte abwarten will, obwohl die polizeiliche Unfallmitteilung ihm bereits vorliegt (OLG Hamm NJW-RR 2022, 213 = NZV 2022, 344 [Gutt]).
Einem Kfz-Haftpflichtversicherer steht kein genereller Anspruch auf eigene Fahrzeugbesichtigung des Unfallgeschädigten zu. Etwas anderes kann sich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls aus dem zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer nach § 115 Abs. 1 VVG zustande gekommenen gesetzlichen Schuldverhältnis ergeben (OLG Celle NJW-RR 2022, 464 = zfs 2022, 152; VRR 6/2022, 13 [Nugel]).
Macht der Sicherungsnehmer Ansprüche der Sicherungseigentümerin geltend, findet keine Haftungsve...