Der BGH hat sich zur umstrittenen „taggenauen Berechnung” des Schmerzensgeldes geäußert und diese Berechnungsform abgelehnt (NJW 2022, 1953 m. Anm. Thora = NZV 2022, 331 m. Anm. Huber = DAR 2022, 324 m. Anm. Luckey = zfs 2022, 252): Maßgebend für die Höhe des Schmerzensgeldes sind im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei geht es nicht um eine isolierte Schau auf einzelne Umstände des Falls, sondern um eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls. Diesen Grundsätzen wird die sog. taggenaue Berechnung des Schmerzensgeldes nicht gerecht.
Sind nach einem Verkehrsunfall Wirbelsäulenverletzungen des Geschädigten streitig, ist eine Begutachtung durch einen erfahrenen Facharzt für Orthopädie notwendig. Distorsionsverletzungen der Wirbelsäule sind für einen orthopädischen Sachverständigen – und für das Gericht – grds. auch dann objektivierbar, wenn eine Dokumentation durch bildgebende Verfahren nicht möglich ist. Erforderlich ist eine sorgfältige Untersuchung durch den medizinischen Sachverständigen, bei der insb. die Anamnese eine wesentliche Rolle spielen muss (OLG Karlsruhe zfs 2022, 432; s.a. LG Osnabrück DAR 2022, 462).
Bei der Bemessung der Anspruchshöhe des Hinterbliebenengelds kann der im Regierungsentwurf bei der Gesetzesfolgenbewertung genannte Betrag von 10.000 EUR als Ausgangspunkt für die den Gerichten überantwortete Einzelfallprüfung herangezogen werden. Eine Übertragung der in der „Richtlinie zur Zahlung von Härteleistungen für Opfer terroristischer und extremistischer Taten aus dem Bundeshaushalt (Kapitel 0718 Titel 681 02 und 681 01)” des Bundesministeriums der Justiz für Härtefälle vorgesehenen Pauschalbeträge kommt nicht in Betracht (OLG Köln DAR 2022, 45 = zfs 2022, 310). Der Haftungsausschluss gem. § 104 Abs. 1 SGB VII und § 105 Abs. 1 SGB VII erfasst auch die Ansprüche der Hinterbliebenen auf Hinterbliebenengeld gem. § 844 Abs. 3 BGB. Bei dem Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB und dem Schockschadensersatz handelt es sich im Hinblick auf deren Rechtsnatur und Anwendungsbereich um unterschiedliche Institute, weshalb die Erwägungen dafür, den Anspruch auf Schmerzensgeld wegen eines sog. Schockschadens nicht gem. § 105 Abs. 1 SGB VII als ausgeschlossen zu erachten, nicht auf den Fall der Tötung eines Dritten durch einen Arbeitsunfall übertragbar sind (BGH NJW 2022, 1526 m. Anm. Eichelberger = DAR 2022, 331 = VRR 9/2022, 9 [Nugel]).
Hinweis:
Die Aktivlegitimation bei Verkehrsunfällen mit Personenschaden erörtert Quaisser NJW 2022, 1868. Den anwaltlichen Vortrag bei der Bemessung des Schmerzensgeldes und des Hinterbliebenengeldes beleuchten Rehm/Häcker DAR 2022, 529.
Abschließende Hinweise:
Die Rechtsprechung des BGH zum Haftpflichtrecht im Straßenverkehr referiert Wessel DAR 2022, 422. Eine Übersicht zum Versicherungsverkehrsrecht 2021/2022 geben Halm/Fitz DAR 2022, 310. Die Besonderheiten der Schadensregulierung bei Elektrofahrzeugen beschreibt Kasten DAR 2022, 356. Die aktuellen Entwicklungen bei der Regulierung von Vorschäden erörtert Nugel VRR 9/2022, 4. Zum Haushaltsführungsschaden näher Lang DAR 2022, 301. Erneut war das Thema autonomes Fahren und künstliche Intelligenz Gegenstand mehrerer Beiträge: Haupt NZV 2022, 166, 265; Seufert NZV 2022, 319; Steege NZV 2022, 257.