Bei Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach strafgerichtlicher Entziehung wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einem BAK von 1,33 Promille ist gem. § 13 S. 1 Nr. 2d i.V.m. § 13 S. 1 Nr. 2a Alt. 2 FeV ein MPU-Gutachten zu fordern, wenn Zusatztatsachen für die Annahme von Alkoholmissbrauch vorliegen. Derartige Zusatztatsachen können darin liegen, dass der Betroffenen trotz BAK von 1,33 Promille ein Fahrzeug über eine längere Strecke geführt und bei der Verkehrskontrolle keine Ausfallerscheinungen gezeigt hat (VG Leipzig DAR 2022, 286). Räumt ein Fahrerlaubnisinhaber den Konsum von Kokain im Rahmen einer Polizeikontrolle ein, muss er sich – wenn ein Drogenschnelltest positiv ausfällt – an dieser Aussage festhalten lassen. Da bereits der einmalige Konsum harter Drogen die Fahreignung ausschließt, ist die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis in einem solchen Fall – jedenfalls innerhalb der sog. verfahrensrechtlichen Einjahresfrist – zulässig (VGH München NZV 2022, 207 [Pießkalla]). Auch ein längeres Nichtbetreiben eines Verfahrens auf Entziehung der Fahrerlaubnis führt nicht dazu, dass die Fahrerlaubnis wegen Verwirkung nicht mehr entzogen werden darf (VGH München NZV 2022, 400 [Rebler]). Zwar sehen § 2a Abs. 5 S. 4 und 5 StVG die Anordnung einer MPU in der neuen Probezeit ausdrücklich nur dann vor, wenn dem Fahrerlaubnisinhaber die Fahrerlaubnis zuvor entzogen worden ist. Die Vorschrift des § 2a Abs. 5 S. 5 StVG ist bei vorangegangenem Verzicht auf die Fahrerlaubnis jedoch entsprechend anwendbar (VG Mainz zfs 2022, 237 = VRR 6/2022, 28 [Burhoff]). Der Schluss auf die Nichteignung nach § 11 Abs. 8 S. 1 FeV ist nur zulässig, wenn die Anordnung der Beibringung eines MPU-Gutachtens formell und materiell rechtmäßig ist. Dies gilt auch für den Schluss auf die Nichteignung zur Fahrgastbeförderung (§ 48 Abs. 8 S. 1 FeV). Ordnet die zuständige Behörde in einem solchen Fall die Beibringung eines MPU-Gutachtens (auch) zur Überprüfung der körperlichen und/oder geistigen Eignung an, müssen Hinweise auf dahingehende Eignungsmängel vorliegen (OVG Nordrhein-Westfalen NJW 2022, 2633).
Die in § 3 Abs. 4 S. 1 StVG angeordnete Bindungswirkung gilt nicht nur für die Maßnahme der Entziehung der Fahrerlaubnis selbst, sondern nach ihrem Sinn und Zweck für das gesamte Entziehungsverfahren unter Einschluss der vorbereitenden Maßnahmen, sodass in derartigen Fällen die Behörde schon die Beibringung eines Gutachtens nicht anordnen darf. Allerdings ist die Verwaltungsbehörde an die strafrichterliche Eignungsbeurteilung nur dann gebunden, wenn diese auf ausdrücklich in den schriftlichen Urteilsgründen getroffenen Feststellungen beruht und wenn die Behörde von demselben und nicht von einem anderen, umfassenderen Sachverhalt als der Strafrichter auszugehen hat. Eine Bindungswirkung ist nicht gegeben, wenn im Strafbefehl sich keine Ausführungen zur Fahreignung des Fahrerlaubnisinhabers und einer Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB finden, sondern sich allein zur Frage eines Fahrverbots (§ 44 StGB) verhält. Die Entziehung der Fahrerlaubnis verstößt nicht deswegen gegen das Verbot der Doppelbestrafung (ne bis in idem; Art. 103 Abs. 3 GG), nur weil gegen den Fahrerlaubnisinhaber wegen derselben Tat bereits ein Fahrverbot verhängt wurde (VGH München VRR 2/2022, 28 [Burhoff]). Hat das Strafgericht nach einer Trunkenheitsfahrt des Angeklagten mit mehr als 1,6 Promille ohne Ausfallerscheinungen seine Fahrerlaubnis nicht entzogen, ohne Feststellungen zum körperlichen Zustand des Angeklagten und zu seiner Abstinenz zu treffen, so bindet eine solche Entscheidung die Fahrerlaubnisbehörde nicht (OVG Lüneburg DAR 2022, 467 = zfs 2022, 357 = NZV 2022, 399 [Pießkalla]). Die Fahrerlaubnisbehörde darf den Betroffenen auch dann gem. § 13 S. 1 Nr. 2b FeV wegen wiederholter Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss zur Beibringung eines MPU-Gutachtens auffordern, wenn eine als Ordnungswidrigkeit einzustufende Zuwiderhandlung ordnungswidrigkeitsrechtlich nicht geahndet worden ist. Falls eine Bußgeldentscheidung ergangen ist, darf die Berücksichtigung der Zuwiderhandlung nicht entgegen § 3 Abs. 4 S. 2 StVG von den dort getroffenen Feststellungen abweichen (BVerwG NJW 2022, 2772 = DAR 2022, 518 m. Anm. Kalus = zfs 2022, 474). Die Fahrerlaubnisbehörden sind bei Maßnahmen gegen den Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe gem. § 2a Abs. 2 S. 2 StVG an rechtskräftige Entscheidungen über die Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebunden. Hierzu bedarf es keines ausdrücklichen Hinweises im Bußgeld- oder Strafverfahren (VGH München DAR 2022, 225 = zfs 2022, 173).
Hinweis:
Den Vorrang strafrechtlicher Entscheidungen nach § 3 Abs. 4 S. 1 StVG erörtert Pießkalla NZV 2022, 379. Die Beurteilung der Fahreignung durch das Strafgericht und die Fahrerlaubnisbehörde war Thema des AK VII des Verkehrsgerichtstags.
Die möglichst zeitnah zu ergreifenden Maßnahmen der Ermahnung und Verwarnung nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem werden nicht schon durch Mitteilungen des Betrof...