1. Trunkenheits- und Drogenfahrten (§ 24a StVG)
Um dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung der Frage zu ermöglichen, ob die sog. Medikamentenklausel nach § 24a Abs. 2 S. 3 StVG eingreift oder nicht, ist der Inhalt des hierfür maßgeblichen Cannabinoidausweises – sofern keine zulässige Bezugnahme erfolgt – im Wortlaut in den Urteilsgründen wiederzugeben. Der Konsum von illegalen Drogen neben Medizinalcannabis lässt die Anwendung der Medikamentenklausel grds. nicht entfallen. Ein ordnungswidriges Verhalten des Betroffenen liegt aber dann vor, wenn nachzuweisen ist, dass auch ohne die Einnahme der verordneten Menge des Medikaments der analytische Grenzwert überschritten worden wäre (OLG Koblenz VRR 6/2022, 22 [Burhoff] unter Aufhebung von AG Trier Blutalkohol 59 2022, 149 = NZV 2022, 254 [Balschun])
Hinweis:
Mit Cannabis im Straßenverkehr im Bereich des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts hat sich der AK II des 60. Deutschen Verkehrsgerichtstags befasst.
2. Das bußgeldrechtliche Fahrverbot (§§ 25 StVG, 4 BKatV)
Hinweis:
Zu Rechtsgrundlagen und Systematik des bußgeldrechtlichen Fahrverbots wird verwiesen auf Deutscher in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl. 2021, Rn 1509 ff., 1732 ff.
a) Der Tatbestand des Fahrverbots
Ein Augenblicksversagen in Form eines Mitzieheffekts soll nach Ansicht des OLG Frankfurt a.M. (zfs 2022, 353 = NZV 2022, 397 [Deutscher]) ausgeschlossen sein bei einer Zeitspanne von 4,1 Sekunden bis zum Erreichen der Haltelinie, da aufgrund der erheblichen Zeitspanne nicht mehr nur von einer kurzen Unaufmerksamkeit ausgegangen werden kann. Geht das Fahren über die Haltlinie bei grünem Licht und das Einfahren in den Kreuzungsbereich nicht nahtlos ineinander über, weil es zwischen beiden Verkehrsvorgängen zu einem verkehrsbedingten Halt (z.B. infolge eines Fahrzeugstaus) vor der Lichtzeichenanlage kommt, so darf der Kfz-Führer nicht in den geschützten Bereich einfahren, wenn er diesen erst nach Rotlichtbeginn erreicht. Denn für ihn gilt ab dem Zeitpunkt des Umschaltens der Lichtzeichenanlage auf Rot das Haltgebot vor der Kreuzung, auch wenn er zuvor bei Grün die vorgelagerte Haltlinie überfahren hat. Um dem Einzelfall bei dieser besonderen Verkehrssituation gerecht zu werden, bedarf es, auch unter Berücksichtigung der indiziellen Wirkung des Regelbeispiels Nr. 132.1 BKat, der sorgfältigen Prüfung, ob der Kfz-Führer mit dem Einfahren in den Kreuzungsbereich bei Rotlicht seine Pflichten „grob” verletzt hat (KG DAR 2022, 352).
Hinweis:
Eine Rechtsprechungsübersicht zu Rotlichtverstößen bietet Krumm DAR 2022, 288.
b) Die Erforderlichkeit des Fahrverbots
Die Erforderlichkeit des Fahrverbots kann bei einem langen Zeitablauf zwischen Tat und Ahndung entfallen, wobei sich in der Rechtsprechung ein Richtwert von zwei Jahren herausgebildet hat (OLG Brandenburg DAR 2022, 280 m. Bespr. Simon 293). Das gilt allerdings nicht, wenn der erhebliche Zeitablauf vom Betroffenen zu vertreten ist, was bei der Ausschöpfung von Rechtsmitteln und prozessualen Rechten nicht der Fall ist. Der Warnungs- und Besinnungsfunktion des strafrechtlichen Fahrverbots in § 44 StGB bedarf es auch noch knapp zwei Jahre nach der Tatbegehung, wenn der Täter sein Fahrzeug in besonders schwerwiegender Weise im Straßenverkehr missbraucht hat (OLG Hamm DAR 2022, 399 = VRR 6/2022, 17 [Deutscher] = NZV 2022, 441 [Steinert]); weiterführend Simon DAR 2022, 293).
c) Rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung
Nach herrschender Rechtsprechung sind die Grundsätze der vom BGH (BGHSt [GrS] 52, 124 = NJW 2008, 860) entwickelten Vollstreckungslösung bei einer festgestellten rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung entsprechend im Bußgeldverfahren anwendbar (zuletzt OLG Hamm DAR 2021, 398 = zfs 2021, 228). Das BayObLG (zfs 2022, 106 m. Anm. Krenberger = NZV 2022, 298 [Deutscher]) ist in einem Fall, in dem die Akte nach dem tatrichterlichen Urteil über zwei Jahre verschwunden war, hiervon abgewichen und hat die Grundsätze des erheblichen Zeitablaufs zwischen Tat und Ahndung (o. b) angewendet: Wird das Verfahren nicht in einer verfahrensförderlichen Weise betrieben, weil die Akten, von den Justizbehörden zunächst unbemerkt, in Verlust geraten waren, hat das Beschwerdegericht dies auf die Sachrüge von Amts wegen zu berücksichtigen. Beträgt in einem solchen Fall die Verzögerung etwas mehr als zwei Jahre und einen Monat, kann die Verhängung des Fahrverbots keinen Bestand mehr haben (zust. Deutscher a.a.O.; a.A. Krenberger a.a.O.).
d) Ausnahme bestimmter Fahrzeugarten
Nach § 25 Abs. 1 StVG kann das Fahrverbot auf bestimmte Fahrzeugarten beschränkt werden. Maßgebend ist hier grds. die Einteilung der Fahrzeugklassen in § 6 Abs. 1 S. 1 FeV. Eine Differenzierung nach Halter, hier Fahrzeuge der Bundeswehr, ist deshalb unzulässig (OLG Naumburg zfs 2022, 412; zu diesem Thema auch eingehend Ternig/Krenberger zfs 2022, 364).
e) Isolierte Anfechtung des Fahrverbots
§ 67 Abs. 2 OWiG erlaubt die Beschränkung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid auf bestimmte Beschwerdepunkte. Eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist zulässig. Da Fahrverbot und Geldbuße in einem Wechselwirkungsverhältnis zueinanderstehen, ist eine isolierte Anfechtung des Fahrverbots allerdings unwirksam (KG DAR 2022, 216 = NZV 2022, 98 [Deutscher]).
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