Hinweis:
Rechtsprechungsübersicht zum Verkehrsverwaltungsrecht bei Klaus DAR 2021, 241. Aktuelle Rechtsprechung zum EU-Führerschein behandelt Koehl DAR 2021, 546.
1. EU-Führerschein (zugleich Fahren ohne Fahrerlaubnis, § 21 StVG)
Zu diesem Thema, dass in den 2010er-Jahren vielfach die Gerichte beschäftigt hat, sind im Berichtszeitraum keine berichtenswerten Entscheidungen veröffentlicht worden (zu 25 Jahren Europäisches Fahrerlaubnisrecht in Deutschland Ternig zfs 2022, 184).
2. Entziehung der Fahrerlaubnis (Schwerpunkt: Alkohol- oder Drogenkonsum)
Hinweis:
Zur MPU bei einer BAK ab 1,1 Promille Koehl DAR 2022, 252.
a) Cannabis
Nach Nr. 9.2.2 der Anl. 4 zur FeV ist ungeeignet zum Führen von Kfz, wer bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis den Konsum und das Fahren nicht trennen kann (VGH Mannheim DAR 2022, 468 m. Bespr. Kalus 475; zur vollständigen Betäubungsmittelabstinenz VGH Mannheim DAR 2022, 166). Gelegentlicher Konsum von Cannabis liegt vor, wenn der Betroffene in zwei oder mehr selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen. Es erscheint in besonders gelagerten Fällen nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die durch vorherigen Cannabiskonsum nach Nr. 9.2.1 oder 9.2.2 der Anl. 4 zur FeV entstandenen Fahreignungszweifel durch eine ärztliche Verordnung von medizinischem Cannabis ausgeräumt werden können oder die ggf. entfallene Fahreignung dadurch wiederhergestellt wird. Allein die Behauptung, einen nicht ärztlich verordneten Cannabiskonsum durch einen ärztlichen Konsum ersetzt zu haben, genügt dazu jedoch grds. nicht (VGH München VRR 9/2022, 27 [Deutscher]).
b) Sonstige Drogen
Nach Nr. 9.1 der Anl. 4 zur Fahrerlaubnisverordnung entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln (ausgenommen Cannabis) die Fahreignung; dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (OVG Schleswig zfs 2022, 297 Ls.)
Hinweis:
Zur Frage der Gleichbehandlung von Alkohol und Cannabis Graw NZV 2022, 357.
c) Verfahrensfragen (insb. Gutachtenanordnung)
Bei Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach strafgerichtlicher Entziehung wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einem BAK von 1,33 Promille ist gem. § 13 S. 1 Nr. 2d i.V.m. § 13 S. 1 Nr. 2a Alt. 2 FeV ein MPU-Gutachten zu fordern, wenn Zusatztatsachen für die Annahme von Alkoholmissbrauch vorliegen. Derartige Zusatztatsachen können darin liegen, dass der Betroffenen trotz BAK von 1,33 Promille ein Fahrzeug über eine längere Strecke geführt und bei der Verkehrskontrolle keine Ausfallerscheinungen gezeigt hat (VG Leipzig DAR 2022, 286). Räumt ein Fahrerlaubnisinhaber den Konsum von Kokain im Rahmen einer Polizeikontrolle ein, muss er sich – wenn ein Drogenschnelltest positiv ausfällt – an dieser Aussage festhalten lassen. Da bereits der einmalige Konsum harter Drogen die Fahreignung ausschließt, ist die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis in einem solchen Fall – jedenfalls innerhalb der sog. verfahrensrechtlichen Einjahresfrist – zulässig (VGH München NZV 2022, 207 [Pießkalla]). Auch ein längeres Nichtbetreiben eines Verfahrens auf Entziehung der Fahrerlaubnis führt nicht dazu, dass die Fahrerlaubnis wegen Verwirkung nicht mehr entzogen werden darf (VGH München NZV 2022, 400 [Rebler]). Zwar sehen § 2a Abs. 5 S. 4 und 5 StVG die Anordnung einer MPU in der neuen Probezeit ausdrücklich nur dann vor, wenn dem Fahrerlaubnisinhaber die Fahrerlaubnis zuvor entzogen worden ist. Die Vorschrift des § 2a Abs. 5 S. 5 StVG ist bei vorangegangenem Verzicht auf die Fahrerlaubnis jedoch entsprechend anwendbar (VG Mainz zfs 2022, 237 = VRR 6/2022, 28 [Burhoff]). Der Schluss auf die Nichteignung nach § 11 Abs. 8 S. 1 FeV ist nur zulässig, wenn die Anordnung der Beibringung eines MPU-Gutachtens formell und materiell rechtmäßig ist. Dies gilt auch für den Schluss auf die Nichteignung zur Fahrgastbeförderung (§ 48 Abs. 8 S. 1 FeV). Ordnet die zuständige Behörde in einem solchen Fall die Beibringung eines MPU-Gutachtens (auch) zur Überprüfung der körperlichen und/oder geistigen Eignung an, müssen Hinweise auf dahingehende Eignungsmängel vorliegen (OVG Nordrhein-Westfalen NJW 2022, 2633).
Die in § 3 Abs. 4 S. 1 StVG angeordnete Bindungswirkung gilt nicht nur für die Maßnahme der Entziehung der Fahrerlaubnis selbst, sondern nach ihrem Sinn und Zweck für das gesamte Entziehungsverfahren unter Einschluss der vorbereitenden Maßnahmen, sodass in derartigen Fällen die Behörde schon die Beibringung eines Gutachtens nicht anordnen darf. Allerdings ist die Verwaltungsbehörde an die strafrichterliche Eignungsbeurteilung nur dann gebunden, wenn diese auf ausdrücklich in den schriftlichen Urteilsgründen getroffenen Feststellungen beruht und wenn die Behörde von demselben und nicht von einem anderen, umfassenderen Sachver...