1. Fahrtenbuch
Die Behörde, die die Auferlegung eines Fahrtenbuchs prüft, muss ebenso wie das VG selbstständig prüfen, ob ein Verkehrsverstoß i.S.v. § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO in tatsächlicher Hinsicht feststeht. Dabei genügt aber, dass sich die Überzeugung mit hinreichender Sicherheit ergibt. Bestreitet der Halter eines Fahrzeugs den begangenen Verkehrsverstoß als solchen, so muss er nach Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens im Verwaltungs- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren substantiierte Angaben machen, die seine Schilderung plausibel erscheinen lassen (OVG Nordrhein-Westfalen NJW 2022, 2288). Wer i.S.d. Straßenverkehrsrechts Halter eines Fahrzeugs und richtiger Adressat einer Fahrtenbuchauflage ist, beurteilt sich nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Bei Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte kann die Bußgeldbehörde grds. davon ausgehen, dass die im Fahrzeugregister als Zulassungsinhaber eingetragene Person auch tatsächlich der Halter ist, und sich zum Zwecke einer Anhörung des Halters im Rahmen eines verkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeitenverfahrens auf die Anhörung dieser Person beschränken (OVG Nordrhein-Westfalen NJW 2022, 2703). Der Einwand des Fahrzeughalters, er habe seine Fahrereigenschaft unmittelbar und unumwunden eingeräumt und damit fehlerfrei seinen Mitwirkungspflichten Genüge getan, greift nicht durch, wenn es sich insoweit – angesichts des evidenten Abweichens des Ausweisfotos des Antragstellers von dem bei dem Verkehrsverstoß erstellten Lichtbild des Fahrzeugführers – um eine unrichtige Angabe handelt, die eher geeignet gewesen ist, den Sachverhalt zu verschleiern und die Ermittlung des Täters zu verhindern (VG Mainz zfs 2022, 300 [Ls.]). Beruft sich der Halter auf einen außerhalb der EU ansässigen Fahrer, kann eine Fahrtenbuchauflage angeordnet werden, wenn der Halter nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig dessen Personalien mitteilt und wenn feststeht, dass die genannte Person das Fahrzeug geführt hat (VGH München NZV 2022, 447 [Brandmair]).
Hinweis:
Zur Verwertbarkeit von Messungen ohne Speicherung der Rohmessdaten bei der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage Gmeiner SVR 2022, 241.
2. Abschleppkosten
Eine polizeiliche Maßnahme ist auch gegenüber einem anwesenden Störer nicht oder nicht rechtzeitig möglich (i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 1 PolG BW), wenn das zur Abwehr der konkreten Gefahr nach polizeilicher Einschätzung erforderliche Verhalten dem potenziellen Adressaten rechtlich oder tatsächlich nicht möglich ist, oder der Störer bei besonderer Eilbedürftigkeit erkennbar nicht willens ist, die Störung zu beseitigen. Die Anweisung, dass Polizeibeamte private Kfz, die verkehrsbehindernd abgestellt sind, aus haftungsrechtlichen Gründen grds. nicht selbst wegzufahren, sondern ein Abschleppunternehmen zu beauftragen, ist nicht ermessensfehlerhaft (VGH Mannheim zfs 2022, 298 [Ls.]). Bei der Mitwirkung Privater an der Erstellung von Verwaltungsakten kann es sich um eine grds. zulässige Verwaltungshilfe handeln. Wird ein „Bescheid” über Abschleppkosten von einem Privaten, wenngleich ggf. auch auf Anweisung und im Namen der Behörde, erlassen und tritt dieser Private nach außen als Entscheidungsträger in Erscheinung, liegt ein Scheinverwaltungsakt vor (OVG Nordrhein-Westfalen NZV 2022, 190 m. Anm. Herber).
ZAP F. 9 R, S. 1099–1116
Von Richter am Amtsgericht Dr. Axel Deutscher, Bochum