I. Vorbemerkung
Nicht alle Rechtsstreite enden durch ein Urteil. Insbesondere in arbeitsgerichtlichen Verfahren wird in der Mehrzahl der Fälle der Prozess durch einen Vergleich beendet. Der vorliegende Beitrag soll einen Überblick über die Rechtsnatur, das Zustandekommen sowie insb. den Inhalt des Vergleichs im arbeitsgerichtlichen Verfahren geben.
II. Rechtsnatur des Vergleichs
Bei einem Prozessvergleich beenden die Parteien privatrechtlich das rechtshängige Gerichtsverfahren sowie ggf. alle weiteren anhängigen und außergerichtlich streitigen wechselseitigen Ansprüche endgültig. Der Prozessvergleich besitzt folglich eine Doppelnatur (BAG, Urt. v. 12.5.2020 – 2 AZR 544/08, NZA 2010, 1250): Zum einen ist er ein Prozessvertrag, durch den die prozessuale Situation verändert wird (der Prozess wird beendet) und der einen Vollstreckungstitel gem. § 794 Nr. 1 ZPO darstellt, zum anderen ist er i.d.R. auch ein materiellrechtlicher Vertrag nach § 779 BGB, durch den die Parteien ihre Rechtsbeziehungen in Bezug auf den Streitgegenstand oder auch darüber hinaus regeln. Beide Verträge sind allerdings untrennbar miteinander verbunden.
Zum Wesensmerkmal des Vergleichs gehört ein gegenseitiges Nachgeben der Parteien. Das Nachgeben muss sich nicht auf die Hauptsache beziehen. Es ist beispielsweise ausreichend, dass eine Partei auf Zinsen verzichtet, einen Teil der Gerichtskosten übernimmt etc.
Der Prozessvergleich kann sich zudem auf einen quantitativ abgrenzbaren, einem Teilurteil (vgl. § 301 ZPO) zugänglichen Teil des Streitgegenstands beschränken.
III. Zustandekommen des Vergleichs
Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte hinwirken. Dabei ist der Abschluss eines Vergleichs jederzeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits möglich.
Die Parteien können bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits sowohl im Gerichtstermin als auch schriftsätzlich einen Vergleichsabschluss herbeiführen. Folglich stehen drei verschiedene Wege für das Zustandekommen des gerichtlichen Vergleichs zur Verfügung:
Die Protokollierung des Vergleichs in der mündlichen Verhandlung gem. § 159 ff. ZPO
Prozessrechtlich wirksam ist der Vergleich nur im Fall seiner Aufnahme in ein Protokoll gem. § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO, das von den Parteien nach § 162 Abs. 1 ZPO genehmigt und von den Unterzeichnern gem. § 163 Abs. 1 ZPO unterschrieben wurde.
Die schriftliche Annahme eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags durch die Parteien gem. § 278 Abs. 6 S. 1 2. Alt. ZPO
Das Gericht kann den Parteien einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten und ihnen eine Frist zur Annahme dieses Vorschlags setzen. Die Feststellung des Vergleichs erfolgt dann durch Beschluss des Gerichts. Der Beschluss ist vollstreckungsfähig.
Die von beiden Parteien vorgenommene Unterbreitung eines schriftlichen Vergleichsvorschlags gegenüber dem Arbeitsgericht gem. § 278 Abs. 6 S. 1 1. Alt. ZPO
Die Parteien einigen sich außergerichtlich, zuweilen bereits vor der sog. Güteverhandlung. Das Gericht stellt lediglich das Zustandekommen und den Inhalt des geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. Auch dieser Vergleich ist vollstreckungsfähig.
Hinweis:
Soll ein außergerichtlich bereits vereinbarter Vergleich noch gerichtlich protokolliert werden, ist davon auszugehen, dass der Vergleich erst mit der Protokollierung abgeschlossen werden soll (BAG, Urt. v. 16.1.1997 – 2 AZR 35/96, NZA 1997, 789; LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 13.7.2017 – 5 Sa 252/16, juris). Bis zum Vorliegen eines entsprechend protokollierten Vergleichs könnte daher noch jede Partei ihre Zustimmung zurückziehen! Wollen die Parteien, dass der Vergleich außergerichtlich bereits zustande kommt und etwa nur noch aus Gründen der Vollstreckbarkeit gerichtlich durch Beschluss festgestellt wird, so ist das im außergerichtlichen Vergleich ausdrücklich zu regeln.
Außerdem ist aufgrund der bereits zuvor beschriebenen Doppelnatur des Prozessvergleichs zu berücksichtigen, dass ein gerichtlicher Vergleich durch Prozesshandlungen der Parteien zustande kommt. Folglich müssen die prozessualen Handlungsvoraussetzungen vorliegen.
Beispiel:
Besteht Anwaltszwang vor Gericht, bedarf auch der Abschluss des Vergleichs zwingend der Mitwirkung eines Rechtsanwalts.
IV. Befristung durch gerichtlichen Vergleich
Mitunter vereinbaren Parteien v.a. im Rahmen sog. Entfristungsklagen, aber auch in Kündigungsschutzverfahren, eine weitere befristete Verlängerung des Arbeitsverhältnisses durch den Abschluss eines Vergleichs. Damit ist ein solcher Vergleich wiederum ein befristeter Arbeitsvertrag. Einer der Sachgründe für eine solche nachträgliche Befristung des Arbeitsverhältnisses ist der gerichtliche Vergleich gem. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG. Dabei ist zu beacht...