Wurde aufgrund der Entscheidungen des OLG Schleswig (Beschl. v. 22.1.2008 – 1 W 27/07, NJW-RR 2009, 65), der des OLG Brandenburg (Urt. v. 28.9.2005 – 4 U 37/05, NJW-RR 2006, 51), der des OLG Düsseldorf (Urt. v. 30.6.2004 – VI-U (Kart) 40/02, BeckRS 2004, 12148) und des OLG Lüneburg (Urt. v. 28.1.2006 – 4 U 193/06) noch davon ausgegangen, dass die unternehmerische Selbstständigkeit des Franchise-Nehmers bei der vorvertraglichen Aufklärung betont wird, so „läutete” das Urt. des OLG Hamm v. 22.12.2011 (I-19 U 35/10, ZVertriebsR 2012, 177) eine Tendenzwende ein, die auch die nachfolgenden Entscheidungen des OLG Düsseldorf (Urt. v. 25.10.2013 – I-22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46), des OLG Hamburg (Urt. v. 28.7.2014 – 4 U 10/14, ZVertriebsR 2015, 107) und zuletzt des OLG Dresden ( Urt. v. 18.8.2016 – 10 U 1137/15, ZVertriebsR 2016, 320) zeigen.
Seitdem wird allgemein davon ausgegangen, dass die Interessen des Franchise-Nehmer-Interessenten im Vordergrund stehen; dieser also im besonderen Maße schutzbedürftig ist (s. die umfassenden Lit.- und Rspr.-Nachweise zur vorvertraglichen Aufklärung Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, 3. Aufl. 2023, vor §§ 241, 311 BGB; Martinek/Semler/Flohr, Handbuch Vertriebsrecht, 5. Aufl. 2024, § 28 Rn 1–127 mit umfassenden Nachweisen und ergänzend Flohr, in: FS für Gramlich, München 2021, S. 113 ff.; Hahn, Umfang und Inhalt der vorvertraglichen Aufklärungspflicht des Franchisegebers, 2019; sowie allgemein Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, 1997; Pohlmann, Die Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten, 2022; Rehm, Aufklärungspflichten im Vertragsrecht, 2003).
Das OLG Frankfurt a.M. stellt erfreulicherweise klar, dass bei der vorvertraglichen Aufklärung die unternehmerische Selbstständigkeit des Franchise-Nehmers genauso zu berücksichtigen ist wie dessen unternehmerisches Risiko, das mit jeder selbstständigen Tätigkeit verbunden ist. Das OLG Frankfurt a.M. erläutert zwar, dass
- es zum einen verboten ist, den potenziellen Franchise-Nehmer über vertragswesentliche Umstände zu täuschen oder in die Irre zu führen und
- zum anderen der Franchise-Geber verpflichtet ist, den potenziellen Franchise-Nehmer über solche Umstände aufzuklären, die allein ihm bekannt sind und von denen er weiß oder wissen muss, dass diese die Entscheidung des potenziellen Franchise-Nehmers, den Franchise-Vertrag abzuschließen, beeinflussen.
Insofern wurde und wird immer davon gesprochen, dass durch die Vertragsverhandlungen und die gebotene Aufklärung über das Franchise-System einerseits und den Franchise-Vertrag andererseits die zu Lasten des Franchise-Nehmer-Interessenten bestehende „Informationsasymmetrie” oder das bestehende „Informationsgefälle” beseitigt werden muss (s. zu dieser Informationsasymmetrie ausführlich: Kunkel, Franchising und asymmetrische Informationen, 1994; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001).
Unter Anknüpfung an eine ältere Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. (Urt. v. 3.6.2016 – 13 U 107/14) hält das OLG Frankfurt a.M. im Urt. v. 1.12.2021 (12 U 7/21) aber auch fest, dass bei Franchise-Verträgen, wie bei jedem anderen Vertrag, jede Partei ihr Vertragsrisiko selbst zu tragen habe. Insofern obliege es einem Franchise-Nehmer, sich über die Risiken und Chancen einer geschäftlichen Verbindung zum Franchise-Geber und zu seiner Eingliederung in das Franchise-System durch den Abschluss des Franchise-Vertrags zu informieren und sich ein eigenes Bild von den Marktchancen zu verschaffen. Hierbei handelt es sich um eine Obliegenheit des Franchise-Nehmers.
Das OLG Frankfurt a.M. kommt dabei auch auf eine nach wie vor aktuelle Entscheidung des OLG Schleswig (Beschl. v. 22.1.2008 – 1 W 27/07, NJW-RR 2009, 65) zurück, wonach der Franchise-Geber nicht Existenzgründungsberater des Franchise-Nehmers ist.
Damit werden der vorvertraglichen Aufklärung des Franchise-Gebers beim Abschluss von Franchise-Verträgen wieder die Grenzen gesetzt, die in der früheren Rspr., insb. in den genannten Entscheidungen des OLG Schleswig, des OLG Brandenburg, des OLG Düsseldorf und des OLG Lüneburg betont wurden. Jeder Franchise-Nehmer hat sich über die allgemeinen Risiken seiner beruflichen Selbstständigkeit – auch bei Einbindung in ein Franchise-System – selbst zu informieren und umfassende Kalkulationen zu erstellen, aber auch ihm zumutbare Informationen, etwa durch Internetrecherchen zum Franchise-System einzuholen.
Damit wird die Tendenzwende zu einer franchisenehmerfreundlichen Rspr. wieder gebremst und es wird – zu Recht – das unternehmerische Risiko betont, das jeder Franchise-Nehmer – wie jeder Kaufmann, der sich selbstständig macht – selbst zu tragen hat (so schon zu Recht: Martinek, Moderne Vertragstypen II, 1992, S. 88).