1. Tötungs- und Verletzungsrisiko für Brutvögel
In Bezug auf die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung von drei Windkraftanlagen macht ein Umweltverband u.a. geltend, dass das Schwarzfärben je eines Rotorblatts der Windkraftanlagen das Mortalitäts- und Verletzungsrisiko für Seeadler erheblich mindere und als Schutzmaßnahme anzuordnen sei.
Das BVerwG verneint in seinem Beschl. v. 7.5.2024 (7 B 22/23) die Frage, ob § 44 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 BNatSchG zur Ergreifung von Schutzmaßnahmen verpflichte, wenn ein Vorhaben auch ohne solche Maßnahmen nicht zu einer signifikanten Erhöhung des Tötungs- und Verletzungsrisikos für Exemplare der betroffenen Arten führe. Es hebt hervor, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung der vorgenannten Regelung den in der Praxis bewährten Signifikanzansatz bestätigt habe (vgl. BT-Drucks 18/11939, S. 17). Nach dem Wortlaut der Vorschrift liege ein Verstoß gegen das Tötungs- und Verletzungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöhe und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden könne.
Hinweis:
Das Signifikanzerfordernis beruht auf dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dient der Vermeidung unverhältnismäßiger Folgen für die Vorhabenzulassung bei der Anwendung des artenschutzrechtlichen Tötungsverbots (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2018 – 9 A 8/17, BVerwGE 163, 380 Rn 101). § 44 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 BNatSchG bezieht sich hierbei von vornherein auf Beeinträchtigungen, denen in Anwendung des § 15 Abs. 1 BNatSchG nicht mit zumutbaren bzw. verhältnismäßigen Mitteln abgeholfen werden kann. Vor diesem Hintergrund ist die Regelung über die Kodifizierung des Signifikanzerfordernisses hinaus lediglich als nochmalige Bekräftigung des ohnehin beachtlichen Vermeidungsgebots und i.Ü. so zu verstehen, dass einem signifikant erhöhten Tötungs- und Verletzungsrisiko mit fachwissenschaftlich anerkannten Vermeidungsmaßnahmen zu begegnen ist (in diesem Sinne auch Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: Sept. 2023, § 44 BNatSchG Rn 52; ähnlich Lau, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 44 Rn 70; a.A. VGH München, Beschl. v. 27.11.2017 – 22 CS 17.1574, juris Rn 32; OVG Koblenz, Urt. v. 31.10.2019 – 1 A 11643/17, NVwZ-RR 2020, 726 Rn 67; Schütte/Gerbig, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 3. Aufl. 2024, § 44 Rn 55d).
2. Windenergieanlage in der Umgebung eines denkmalgeschützten Hauses
Bei der Errichtung von Windenergieanlagen kann es zu einer Kollision mit sich in der Umgebung befindenden denkmalgeschützten Gebäuden kommen.
Hinweis:
Nach § 9 Abs. 2 DSchG NRW bedarf der Erlaubnis der unteren Denkmalbehörde, wer in der engeren Umgebung von Baudenkmälern Anlagen errichten, verändern oder beseitigen will, wenn sich dies auf das Erscheinungsbild des Denkmals auswirken kann.
Nach dem Urteil des OVG NRW v. 24.1.2024 (7 D 59.23, BauR 2024, 622) lässt sich nicht allgemeingültig bestimmen, wie weit die engere Umgebung eines Baudenkmals räumlich reicht. Regelmäßig würden die einem Denkmal unmittelbar angrenzenden Grundstücke erfasst sein. Andererseits bedeute „engere” Umgebung nicht „angrenzend”, sodass der Bereich darüber hinausgehen könne. Wo genau die Grenze zwischen der „engeren” und „weiteren” Umgebung eines Baudenkmals verlaufe, hänge letztlich von den konkreten Umständen des Einzelfalls, namentlich den örtlichen Gegebenheiten ab. Maßgeblich sei dabei, auf welchen Bereich das Denkmal ausstrahle und welchen es seinerseits präge und beeinflusse. Geschützt seien demnach auch und gerade die Wirkung des Denkmals in seiner Umgebung und die optischen Bezüge zwischen Denkmal und Umgebung. Zu solchen Sichtbezügen zählten die Blickfelder des Nah- und Fernbereichs, die der städtebaulichen Präsentation dienten. Danach gehörten jedenfalls solche Objekte zur engeren Umgebung, die an einem Standort, von dem aus man wesentliche Teile des Denkmals wahrnehme, zusammen mit dem Denkmal in den Blick kämen.
In Bezug auf die Auswirkungen der Windenergieanlagen auf das Erscheinungsbild des Baudenkmals sei zu beachten, dass der von außen sichtbare Teil des Denkmals Schutz genieße, an dem jedenfalls der sachkundige Betrachter den Denkmalwert, der dem Denkmal innewohne, abzulesen vermöge; das Erscheinungsbild sei von Vorhaben in der engeren Umgebung des Denkmals nur dann betroffen, wenn die Beziehung des Denkmals zu seiner engeren Umgebung für den Denkmalwert von Bedeutung sei. Zur Ermittlung des Denkmalwertes im Einzelfall sei in erster Linie auf die Eintragung in der Denkmalliste und die ihr beigefügte Begründung abzustellen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.3.2023 – 4 VR 4.22).