1. Prüfungsumfang im Rahmen der Normenkontrolle
Das BVerwG hat sich in seinem Beschl. v. 20.2.2024 (4 BN 22/23) zum gerichtlichen Prüfungsumfang im Rahmen einer Normenkontrolle verhalten. Ausgangspunkt ist § 47 Abs. 5 S. 2 Hs. 1 VwGO, wonach das OVG im Normenkontrollverfahren die (verfahrensgegenständliche) Rechtsvorschrift für unwirksam erklärt, wenn es zu der Überzeugung kommt, dass sie ungültig ist. Für die Feststellung genüge die Benennung eines Fehlers, der zur Unwirksamkeit der Rechtsvorschrift führe. Das Normenkontrollgericht müsse sich weder dazu verhalten, ob der Fehler in einem ergänzenden Verfahren geheilt werden könne, noch sei es von Rechts wegen verpflichtet, die Rechtsvorschrift auf weitere Rechtsmängel hin zu überprüfen. Denn das Normenkontrollverfahren diene nicht der umfassenden Prüfung der Rechtslage unter jedem denkbaren Gesichtspunkt.
Das BVerwG weist darauf hin, dass an diesem Befund die abweichende Rechtslage im Anwendungsbereich des § 7 Abs. 5 S. 1 UmwRG sowie im Planfeststellungsrecht nichts ändere. § 7 Abs. 5 S. 1 UmwRG finde im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO keine Anwendung. Planfeststellungsbeschlüsse seien Zulassungsentscheidungen für konkrete Einzelvorhaben und als Verwaltungsakte der Bestandskraft fähig. Prüfungsgegenstand im Normenkontrollverfahren seien hingegen ausschließlich untergesetzliche Rechtsvorschriften, bei denen – trotz der Fristgebundenheit des Rechtsbehelfs (§ 47 Abs. 2 S. 1 VwGO) – eine spätere Überprüfung, etwa im Rahmen einer Inzidentkontrolle, möglich bleibe.
2. Ablehnung einer Terminverschiebung
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gibt es unterschiedliche Gründe, die Anlass für einen Antrag auf Verlegung eines bereits anberaumten Termins oder die Vertagung einer bereits begonnenen mündlichen Verhandlung sein können. Sie können in der Verhinderung eines Beteiligten liegen, an der Sitzung teilzunehmen, sie können ihren Anlass aber auch darin haben, dass aufgrund der Verfahrensentwicklung ein Beteiligter zusätzlich Zeit für weitere Schritte zu einer aus seiner Sicht angepassten rechtlichen Reaktion im Verfahren benötigt. Die Ablehnung eines Antrags auf Verlegung des Termins oder Vertagung der mündlichen Verhandlung kann den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) oder ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 GG) verletzen, wenn die Verlegung/Vertagung aus erheblichen Gründen geboten ist (§ 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 S. 1 ZPO). Liegen erhebliche Gründe vor, verdichtet sich das in § 227 Abs. 1 ZPO eingeräumte Ermessen zu einer Rechtspflicht, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits durch die Aufhebung oder Verlegung des Termins verzögert wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.5.2015 – 4 BN 2.15, juris Rn 4 und v. 25.9.2013 – 1 B 8.13, juris Rn 13; BFH, Beschl. v. 4.5.2021 – VIII B 97/20, BFH/NV 2021, 1360 Rn 4).
Das BVerwG hebt in seinem Beschl. v. 11.4.2024 (4 B 24/23) hervor, bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „erheblichen Gründe” sei einerseits dem im Verwaltungsprozess geltenden Gebot der Beschleunigung des Verfahrens (vgl. etwa § 87b VwGO) und der Intention des Gesetzes, die gerichtliche Entscheidung möglichst aufgrund einer einzigen mündlichen Verhandlung herbeizuführen (Konzentrationsgebot, vgl. § 87 Abs. 1 VwGO), andererseits den verfassungsrechtlichen Erfordernissen des rechtlichen Gehörs und eines fairen Verfahrens Rechnung zu tragen. Das Gebot rechtlichen Gehörs verlange, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern und tatsächliche und rechtliche Argumente im Prozess vortragen zu können. Der Anspruch auf ein faires Verfahren gebiete insb., dass das Gericht sich nicht widersprüchlich verhalte, aus eigenen oder ihm zurechenbaren Fehlern keine Verfahrensnachteile für die Beteiligten ableite und verpflichte allgemein zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation.
Hinweis:
Eine Verlegung/Vertagung rechtfertigende „erhebliche Gründe” i.S.d. § 227 Abs. 1 ZPO sind in aller Regel solche, die auch und gerade zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern.
Dies hat das BVerwG bei einem behördlichen Verschiebungsbegehren verneint, das auf die Einräumung von Zeit für behördlich vorgesehene Heilung von im Prozess aufgezeigten Mängeln der behördlichen Maßnahme gerichtet war.