a) Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit
Auch im ersten Halbjahr 2014 hatte das BSG mehrfach über die Gewährung von SGB-II-Leistungen für die Vergangenheit zu entscheiden. Solche Leistungen können grundsätzlich nur erbracht werden, wenn der Bedarf zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Leistung entweder originär oder als Surrogat noch fortbesteht (zur Gewährung von Existenzsicherungsleistungen für die Vergangenheit s. Pattar in Berlit/Conradis/Sartorius, Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl. 2013, Kap. 10 sowie – im Zugunstenverfahren – Conradis in Berlit/Conradis/Sartorius, Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl. 2013, Kap. 55). Für den Regelbedarf nach dem SGB II hatte das BSG dabei entschieden, dass der Bedarf grundsätzlich nicht untergehe (BSG, Urt. v. 1.6.2010 – B 4 AS 78/09 R); für das SGB XII untersucht der 8. Senat hingegen das Fortbestehen auch des Regelbedarfes (BSG, Urt. v. 29.9.2009 – B 8 SO 16/08 R).
In seinem Urteil vom 20.2.2014 (B 14 AS 65/12 R, SGb 2014, 203, s. hierzu Stotz, jurisPR-SozR 20/2014, Anm. 3) entschied das BSG nun, dass ein Anspruch auf Mehrbedarfsleistungen wegen kostenaufwändiger Ernährung für solche vergangenen Zeiträume nicht besteht, in denen die Leistungsberechtigten sich nicht kostenaufwändig ernährt haben, weil sie von der den Mehrbedarf auslösenden Erkrankung keine Kenntnis hatten. Damit rückt der 14. Senat für den Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II näher an die Rechtsprechung des 8. Senats. In einem obiter dictum erklärt der 14. Senat allerdings die anderen Mehrbedarfe ausdrücklich für unabhängig von der Kenntnis der Leistungsberechtigten (Rn. 28). Diese Leistungen können daher auch rückwirkend beansprucht werden.
b) Wirksamkeit des Antrags auf ALG II
Im Zusammenhang damit steht auch die Entscheidung vom 2.4.2014 (B 4 AS 29/13 R). Darin entschied das BSG, dass ein Antrag auf Arbeitslosengeld aus der Arbeitslosenversicherung nach dem SGB III wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen der Leistungen nicht "automatisch" – bei Berücksichtigung des sog. Meistbegünstigungsgrundsatzes, s. näher Gutzler, ASR 2012, 144 m.w.N. – zugleich als Antrag auf ALG II gilt, sondern nur dann, wenn ausdrücklich auch ALG II beantragt wird. § 28 SGB X (Rn. 17–19), der bei Ablehnung oder Rückforderung einer Sozialleistung einer nachgeholten Antragstellung auf eine andere Sozialleistung eine Rückwirkung von bis zu einem Jahr zumisst, gelte nicht, wenn auf den Antrag auf SGB-III-Arbeitslosengeld Leistungen bewilligt würden, die den Bedarf nach dem SGB II nicht deckten (Rn. 23–28). Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch hätte eine Verletzung der Beratungspflicht der Bundesagentur für Arbeit vorausgesetzt, der im entschiedenen Fall nicht vorgelegen habe (Rn. 18, 29 f.).