1. Überblick
Gerade noch im ersten Halbjahr 2014 wurde das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz vom 23.6.2014 – BGBl. I 2014, S. 787) verkündet; es trat zum 1.7.2014 in Kraft (hierzu insgesamt Löschau rv 2014, 121–127 und Benjamin, jurisPR-SozR 18/2014 Anm. 1). Die umstrittensten Punkte sind die sog "Rente mit 63" und die "Mütterrente".
2. Rente mit 63
Für die sog. Rente mit 63 weitet die neue Übergangsregelung in § 236b SGB VI die bisher schon in § 38 SGB VI vorgesehene Altersrente für besonders langjährig Versicherte aus. Für Versicherte bis Geburtsjahr 1953 wird die dort geltende Altersgrenze von 65 Jahren auf 63 Jahre abgesenkt, ab Geburtsjahrgang 1953 dann aber in Zweimonatsschritten schrittweise wieder auf 65 Jahre erhöht. Letztlich hat die "Rente mit 63" daher nur für eine Übergangszeit Bedeutung. Für die versicherungsrechtliche Voraussetzung der Wartezeit von 45 Jahren, die auch bisher schon Voraussetzung für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte war, ergeben sich Änderungen: So werden nach § 51 Abs. 3a Nr. 3 SGB VI n.F. Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, Krankengeld und Übergangsgeld in den letzten beiden Jahren vor dem Rentenbeginn nur noch in Ausnahmefällen angerechnet. Andererseits werden neuerdings bei Vorliegen von mindestens 18 Jahren Beitragszeiten wegen einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit freiwillige Beiträge bis zwei Jahre vor dem Rentenbeginn berücksichtigt (§ 51 Abs. 3a Nr. 4 SGB VI n.F.). Eine Verschlechterung bringt die Änderung von § 244 Abs. 3 SGB VI: Wurden bisher Zeiten des Bezugs von Arbeitslosenhilfe und ALG II nur nicht als Pflichtbeitragszeiten angerechnet, werden sie nunmehr auf die Wartezeit von 45 Jahren überhaupt nicht mehr angerechnet, auch nicht als Anrechnungszeiten (vgl. § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VI).
3. Mütterrente
Hinter dem Schlagwort "Mütterrente" verbirgt sich eine verbesserte Bewertung der Erziehungsleistung von Eltern, deren Kinder vor dem 1.1.1992, dem Inkrafttreten des SGB VI, geboren sind (ausführlich zur Mütterrente Lindner rv 2014, 41–47; Winkel/Nakielski rv 2014, 240–242; zu Auswirkungen auf den Versorgungsausgleich Rehbein jurisPR-FamR 14/2014, Anm. 1 und Langheim Forum Familienrecht 2014, 222–231; bereits rechtskräftige Entscheidungen können ggf. auf Antrag [mit Wirkung ab diesem, s. § 226 Abs. 4 FamFG] abgeändert werden nach §§ 51 f. VersAusglG – wenn das bis zum 31.8.2009 geltende Recht zugrunde gelegt wurde – bzw. nach §§ 225 ff. FamFG). Nach bisheriger Rechtslage (§§ 56, 249 SGB VI a.F.) wurden Eltern für vor 1992 geborene Kinder nur während der ersten zwölf Lebensmonate des Kindes Kindererziehungszeiten gutgeschrieben, während Eltern ab 1992 geborener Kinder für die ersten 36 Monate Kindererziehungszeiten erhielten. Je Lebensmonat des Kindes erhält dabei nur ein Elternteil Kindererziehungszeiten. Diese Kindererziehungszeiten werden für Rentenbezugszeiten seit 1.7.2000 – zuvor war die Bewertung niedriger – mit knapp einem Entgeltpunkt (0,9996 EP) pro Jahr bewertet; es wird also für die Kindererziehungszeit eine Beitragszahlung aus einem knapp unter dem Durchschnittseinkommen liegenden Einkommen fingiert. Eltern, die selbst vor dem 1.1.1921 geboren sind, erhalten keine Kindererziehungszeiten (§ 249 Abs. 4 SGB VI). Stattdessen erhalten die vor 1921 geborenen Mütter (nicht jedoch die Väter) eine Kindererziehungsleistung (§ 294 SGB VI), und zwar bis 30.6.2014 in Höhe des aktuellen Rentenwerts, also bei einer mit Vollendung der Regelaltersgrenze in Anspruch genommenen Regelaltersrente die Gegenleistung für einen Entgeltpunkt (§ 295 SGB VI).
Durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz werden nun die Leistungen der Rentenversicherung für die Erziehung vor und ab 1992 geborener Kinder einander angenähert, wenn auch nicht gleichgestellt: Nunmehr werden bei einem Elternteil eines vor 1992 geborenen Kindes für 24 Lebensmonate Kindererziehungszeiten angerechnet (§ 249 SGB VI n.F.). Gleichzeitig wird die Kindererziehungsleistung für vor 1921 geborene Mütter auf monatlich das Doppelte des aktuellen Rentenwerts erhöht (§ 295 SGB VI n.F.).
Als Sonderregelung für am 30.6.2014 vorhandene Bestandsrentnerinnen und -rentner sieht der neue § 307d SGB VI (und flankierend § 249 Abs. 7 und 8 SGB VI n.F.) einen Zuschlag von einem persönlichen Entgeltpunkt vor. Dabei kommt es – für ab 1921 geborene Mütter – allein darauf an, dass in der bestehenden Rente für den zwölften Lebensmonat eines Kindes eine Kindererziehungszeit berücksichtigt worden ist; die tatsächlichen Erziehungsverhältnisse während des zweiten Lebensjahres des Kindes sind unerheblich. Damit kommt es zu Ungleichbehandlungen zwischen Bestandsrentnerinnen und -rentnern mit vor 1992 geborenen Kindern einerseits und Neurentnerinnen und -rentnern andererseits, meist zu Lasten der Neurentnerinnen und -rentner: Zum einen erhalten die Bestandsrentnerinnen und -rentner auch dann einen Zuschlag im Wert eines ganzen Erziehungsjahres, wenn das Kind nicht im gesamten z...