I. Einleitung

Am 15.4.2014 hat das Europäische Parlament die Gesetzesvorlage im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie über Mindestvorschriften zur Erhöhung der Mobilität von Arbeitnehmern zwischen den Mitgliedstaaten durch Verbesserung des Erwerbs und der Wahrung von Zusatzrentenansprüchen (bekannt auch als Ex-Portabilitätsrichtlinie) verabschiedet. Die Richtlinie wurde am 30.4.2014 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (ABl. L 128 v. 30.4.2014, S. 1 ff.; vgl. a.: BetrAV 2014, 379 ff.) und muss spätestens bis zum 21.5.2018 in nationales Recht umgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund hat das Bundeskabinett am 1.7.2015 den Entwurf eines "Gesetzes zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie" beschlossen, mit dem das deutsche Betriebsrentengesetz (BetrAVG) an diese europarechtlichen Vorgaben angepasst werden soll. Geplant ist, dass die entsprechenden Gesetzesänderungen zum 1.1.2018 in Kraft treten sollen.

II. Absenkung der Unverfallbarkeitsfrist

Zentrales Thema dieser Richtlinie ist eine Verkürzung der gesetzlichen Unverfallbarkeitsfrist von bislang fünf Jahren auf künftig drei Jahre (Zusagedauer) bei gleichzeitiger Absenkung des Mindestalters bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom 25. auf das 21. Lebensjahr. Hierzu wird in § 1b Abs. 1 BetrAVG eine entsprechende Änderung vorgenommen werden müssen. Gleichzeitig wird § 30f BetrAVG – wie bei den früheren Änderungen der Unverfallbarkeitsfrist auch – um eine weitere Übergangsregelung bezogen auf den Zeitraum vor dem Wirksamwerden der jetzt erforderlichen Änderung (1.1.2018) ergänzt.

In steuerlicher Hinsicht wird die Absenkung der Unverfallbarkeitsfrist durch entsprechende Anpassungen in den Finanzierungsvorschriften des § 6a EStG (erstmaliger Zeitpunkt der Rückstellungsbildung bei Pensionszusagen) sowie in § 4d EStG (erstmalige Dotierung von Unterstützungskassen) flankiert. In beiden Vorschriften wird das Finanzierungsbeginnalter abgesenkt, allerdings – wie bislang auch – auf ein von der arbeitsrechtlichen Unverfallbarkeitsregelung abweichendes höheres Mindestalter, nämlich das 23. Lebensjahr.

 

Hinweis:

Das bedeutet, dass es auch zukünftig keinen Gleichlauf zwischen arbeitsrechtlicher Verpflichtung und steuerlicher Berücksichtigung bei der Pensionszusage und bei der Unterstützungskasse geben wird.

III. Einführung einer Anwartschaftsdynamik

Ein weiterer Schwerpunkt der Mobilitätsrichtlinie, der im BetrAVG umzusetzen ist, ist eine sog. Anwartschaftsdynamik, mit der eine Gleichbehandlung zwischen ausgeschiedenen und weiterhin aktiven Mitarbeitern hinsichtlich der Berechnung ihrer späteren Versorgungsleistung erreich werden soll. Danach werden gesetzlich unverfallbare Anwartschaften künftig zu dynamisieren sein, es sei denn

  • die Anwartschaft ist als nominales Anrecht definiert oder
  • die Zusage enthält eine Verzinsung und die Zinsen kommen auch dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer zugute oder
  • die Versorgung wird über einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung durchgeführt und die Erträge kommen auch ausgeschiedenen Anwärtern zugute.

Die Dynamisierung kann dadurch erfolgen, dass die Anwartschaft

  • wie die Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens oder
  • wie die Leistungen der Versorgungsempfänger des Arbeitgebers oder
  • entsprechend der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes für Deutschland

angepasst wird. Insoweit werden die bei § 16 BetrAVG zu beachtenden Rahmenbedingungen (ausführlich hierzu: Langohr-Plato, Betriebliche Altersversorgung, 6. Aufl. 2013, Rn. 929 ff.) entsprechend zu beachten sein.

 

Hinweis:

Im Falle einer Insolvenz des Arbeitgebers sichert der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) bei ausgeschiedenen Anwärtern nur die Dynamik bis zum Sicherungsfall, danach bleibt die Anwartschaft statisch.

Bei der künftigen Dynamisierung unverfallbarer Versorgungsanwartschaften sind allerdings nur die Teile der Anwartschaft zu berücksichtigen, die auf Dienstzeiten ab dem 1.1.2018 beruhen. Arbeitgeber haben daher die Möglichkeit, in der Zeit bis zum In-Kraft-Treten der Neuregelung (1.1.2018) die bestehenden Versorgungssysteme auf die Dynamisierung vorzubereiten bzw. so umzugestalten (z.B. Wechsel des Durchführungsweges; Überführung in ein beitragsorientiertes System), dass eine Dynamisierung nicht zu erfolgen hat.

 

Hinweis:

Die Pflicht, unverfallbare Anwartschaften anzupassen, gilt zudem generell nicht für solche Betriebsrentensysteme, die vor dem 20.5.2014 geschlossen worden sind.

IV. Zustimmungspflicht bei Abfindung

Ferner wird § 3 BetrAVG insoweit eine Änderung erfahren, als künftig Abfindungen nach Vorgabe der Mobilitätsrichtlinie grundsätzlich nur mit Zustimmung des Versorgungsberechtigten erfolgen dürfen. Dies würde die bislang in § 3 Abs. 2 BetrAVG enthaltene einseitige Abfindungsmöglichkeit durch den Arbeitgeber bei sog. Bagatellleistungen obsolet machen. Ein derartiger Ausschluss der Abfindungsmöglichkeit betragsmäßig niedriger Anwartschaften wäre den Arbeitgebern in Deutschland gerade vor dem Hintergrund der durch die gleichzeitige Absenkung der Unverfallbarkeitsfristen zwangsläufig entstehenden unverfallbaren Anwartschaften bei kurzer Laufzeit und damit auc...

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