1. Gesetzliche Regelung
Die Terminsgebühr entsteht im erstinstanzlichen Verfahren grundsätzlich zu einem Gebührensatz von 1,2 (Nr. 3104 VV RVG). Unter den Voraussetzungen der Nr. 3105 VV RVG ermäßigt sich diese Gebühr auf 0,5.
Der Wortlaut der Nr. 3105 VV RVG ist sprachlich misslungen, weil danach bereits bei Nichterscheinen der Partei, selbst wenn sie ordnungsgemäß vertreten ist, die Ermäßigung eintreten würde. Zu lesen ist Nr. 3105 VV RVG zutreffender Weise wie folgt:
Die Ermäßigung auf 0,5 tritt ein, wenn
a) die Gegenpartei nicht erscheint und auch nicht ordnungsgemäß vertreten ist
oder
b) die Gegenpartei in einem Verfahren mit Anwaltszwang zwar selbst erscheint, allerdings ohne Anwalt und damit wegen des Postulationszwangs des § 78 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht ordnungsgemäß vertreten ist,
und lediglich
a) ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt wird
oder
b) ein Antrag zur Prozess- und Sachleitung gestellt wird
oder
c) das Gericht von Amts wegen zur Prozess- und Sachleitung entscheidet.
Hinweis:
Die Vorschrift des § 333 ZPO (Nichtverhandeln trotz Erscheinens) ist dagegen nicht entsprechend anwendbar (Anm. Abs. 2 zu Nr. 3105 VV RVG).
Die Ermäßigung tritt nach Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3105 VV RVG darüber hinaus auch dann ein, wenn eine Entscheidung gem. § 331 Abs. 3 ZPO – Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren – ergeht.
2. Normalfälle
Erscheint im Termin weder der Gegner noch für diesen ein Anwalt und wird sofort der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt, tritt die Ermäßigung nach Nr. 3105 VV RVG ein.
Beispiel 1:
Im Termin zur mündlichen Verhandlung erscheint der Kläger nicht. Der Beklagte beantragt den Erlass eines klageabweisenden Versäumnisurteils, das dann auch ergeht. Der Gegenstandswert beträgt 8.000 EUR.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 8.000 EUR) |
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592,80 EUR |
2. |
0,5-Terminsgebühr, Nr. 3104, 3105 VV RVG (Wert: 8.000 EUR) |
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228,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
840,80 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
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159,75 EUR |
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Gesamt |
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1.000,55 EUR |
Erforderlich ist lediglich, dass ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt wird. Ob das Versäumnisurteil dann auch ergeht, oder dessen Erlass möglicherweise wegen nicht ordnungsgemäßer Ladung des Gegners abgelehnt wird, ist unerheblich. Das gleiche gilt, wenn das Gericht das beantragte Versäumnisurteil nicht erlässt, weil es die Klage als unschlüssig ansieht. Auch dann entsteht nur eine 0,5-Terminsgebühr.
Beispiel 2:
Im Termin zur mündlichen Verhandlung erscheint der Beklagte nicht. Der Kläger beantragt den Erlass eines Versäumnisurteils. Das Gericht lehnt mangels Schlüssigkeit der Klage den Antrag auf Erlass des Versäumnisurteils ab (§§ 335 ZPO).
Zu rechnen ist wie in Beispiel 1.
Ebenso entsteht nur die ermäßigte Terminsgebühr, wenn kein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt wird, sondern ein Antrag zur Prozess- und Sachleitung.
Beispiel 3:
Im Termin zur mündlichen Verhandlung erscheint der Beklagte nicht. Der Kläger beantragt Vertagung.
Zu rechnen ist wie in Beispiel 1.
Gleichfalls ist so zu rechnen, wenn bei Säumnis des Gegners von Amts wegen eine Entscheidung zur Prozess- und Sachleitung ergeht.
Beispiel 4:
Im Termin zur mündlichen Verhandlung erscheint der Beklagte nicht. Der Kläger stellt keinen Antrag. Das Gericht beschließt das Ruhen des Verfahrens.
Zu rechnen ist wie in Beispiel 1.
3. Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren
a) Überblick
Ein Versäumnisurteil kann nach § 331 Abs. 3 ZPO auch im schriftlichen Vorverfahren ergehen. Hier differenziert die Rechtsprechung zum Teil.
b) Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren auf Antrag
Zeigt der Beklagte seine Verteidigungsbereitschaft entgegen § 276 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig an und ergeht daraufhin im schriftlichen Verfahren auf Antrag des Klägers, der bereits in der Klageschrift gestellt werden kann, nach § 331 Abs. 3 ZPO ein Versäumnisurteil, so wird hierdurch ebenfalls nur die 0,5-Terminsgebühr ausgelöst. Dies folgt aus Anm. Abs. 2 zu Nr. 3105 VV RVG.
Beispiel 5:
Der Kläger reicht eine Klage über 10.000 EUR ein und beantragt für den Fall, dass die Verteidigungsbereitschaft nicht angezeigt wird, den Erlass eines Versäumnisurteils. Der Beklagte zeigt die Verteidigungsbereitschaft nicht an, so dass Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren ergeht.
Es gilt Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3105 VV RVG. Die Terminsgebühr entsteht nur zu 0,5.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 EUR) |
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725,40 EUR |
2. |
0,5-Terminsgebühr, Nr. 3104, 3105 VV RVG (Wert: 10.000 EUR) |
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279,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.024,40 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
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194,64 EUR |
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Gesamt |
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1.219,04 EUR |
Das gleiche gilt auch dann, wenn das schriftliche Vorverfahren nach Widerspruch gegen einen Mahnbescheid angeordnet worden ist (§§ 697 Abs. 2 S. 2, 276 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO).
Beispiel 6:
Der Antragsgegner legt gegen den Mahnbescheid über 10.000 EUR Widerspruch ein. Nach Abgabe an das Landgericht und Eingang der Anspruchsbegründung setzt das Gericht dem Antragsgegner/Beklagten eine Frist zu Anzeige der Verteidigung...