I. Einleitung: EU-Verbraucherrechterichtlinie RL 2011/83/EU und BGB-Änderungen
Die EU-Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU vom 25.10.2011 (ABl. Nr. L 304, S. 64, kurz: VRRL) ist mit dem zum 13.6.2014 in Kraft getretenen Gesetz vom 20.9.2013 ("Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechtsrichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung" v. 20.9.2013, BGBl. I S. 3642, hier kurz: Umsetzungsgesetz) im deutschen (Verbraucherprivat-)Recht umgesetzt worden (vgl. Art. 28 Abs. 1 VRRL).
Bekanntlich hat diese Richtlinie die sog. Haustürgeschäfte-Richtlinie 85/577/EWG und die sog. Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG zusammengeführt sowie überarbeitet. Damit einher geht eine Umstellung vom Minimalstandard- auf das Vollharmonisierungsprinzip als Leitgedanke der "Rechtsharmonisierung" (s.a. S. Neumann jM 2015, 316 ff.). Die Umsetzung der Richtlinie 2011/83/EU erforderte daher weitreichende Änderungen im Schuldrecht des BGB (insbesondere hinsichtlich der "Grundsätze bei Verbraucherverträgen und besondere Vertriebsformen" gemäß 2. Buch, Abschnitt 3, Titel 1, Untertitel 2, sowie zum "Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen", Titel 5, Untertitel 2):
- Entsprechend den Richtlinienvorgaben sind grundlegende Informationspflichten des Unternehmers bei Verbraucherverträgen im sog. stationären Handel sowie allgemeine Grundsätze, die für alle Verbraucherverträge unabhängig von der Vertriebsform gelten, neu eingeführt worden (vgl. II.).
Vereinheitlichung und Angleichung der Bestimmungen über die Informationspflichten und das Widerrufsrecht.
Auch die Regelungen über das "allgemeine verbraucherschützende Widerrufsrecht" gem. §§ 355 ff. BGB sind (auch hinsichtlich der Rückabwicklung) neu gefasst worden. Dabei haben die Vorschriften über verbundene Verträge (§§ 358 ff. BGB) ebenfalls eine Neuregelung erfahren (s. zu beidem unter III.).
- Im Rahmen eines kurzen Überblicks zu weiteren reformbedingten Änderungen sind Informationsverpflichtungen neben BGB-Änderungen, z.B. im Verbrauchsgüterkaufrecht (§§ 474 ff. BGB), wenigstens zu nennen (vgl. IV.).
Anliegen des Beitrags ist ein kurzer Überblick zu den wichtigsten Neuregelungen des Verbraucherprivatrechts samt (rechtsdogmatischer wie -praktischer) Bewertung rund ein Jahr nach dem Inkrafttreten der Umsetzungsnovelle (s. V.).
II. Allgemeiner Teil des Verbrauchervertragsrechts
Im Mittelpunkt des Umsetzungsgesetzes stehen die im Allgemeinen Schuldrecht des BGB verorteten Änderungen und Neufassung der Abschnitte über besondere Vertriebsformen gem. §§ 312b–312j BGB (s.u. 2.) sowie über das verbraucherschützende Widerrufsrecht (vgl. auch zur Historie und m.w.N. N. Fischer, Das allgemeine verbraucherschützende Widerrufsrecht, 2003, passim) gem. §§ 355–361 BGB (s.u. III.). Soweit die Neuregelungen nicht nur "Besondere Vertriebsformen" regeln, sondern auch allgemeine Vorschriften für jeden Verbrauchervertrag (s. §§ 13, 14 BGB) vorsehen, lässt sich (in Ansätzen) bereits von einem "Allgemeinen Teil des Verbrauchervertragsrechts" sprechen.
1. Änderungen gem. §§ 13, 126b, 241a BGB
Eingangs zu nennen sind reformbedingte Änderungen im Allgemeinen Teil des BGB (§ 13 BGB und § 126b BGB) und im Allgemeinen Schuldrecht (§ 241a BGB), da davon zentrale Begriffe des – europäisch geprägten – deutschen Verbraucherprivatrechts betroffen sind: Neben dem Verbraucherbegriff des § 13 BGB sind auch die "Textform" (§ 126b BGB) und der "dauerhafte Datenträger" angepasst worden. Durch die Neufassung des Verbraucherbegriffs (durch die Einfügung des Wortes "überwiegend" in § 13 BGB) ist die bisher herrschende weite Auslegung kodifiziert worden (s. dazu diff. Tonner VuR 2013, 443 ff., 446 m.w.N.).
Die Neudefinition der Textform des § 126b BGB stellt auf den "dauerhaften Datenträger" (mit einer Legaldefinition in § 126b S. 2 BGB) ab. Zu begrüßen ist die (nötige) richtlinienkonforme Novellierung der Vorschrift. Ungeachtet des gerade für typische Verbraucher nicht gerade transparenten Wortlauts gilt dies auch für den Verzicht auf Regelbeispiele etc. (a.A. dagegen Wendehorst NJW 2014, 577 ff., 577 f.). Wenn sich der Normgehalt ohnehin nur noch dem juristisch geschulten Leser erschließt, ist es auch unschädlich, wenn sich der Gehalt dieser Neuregelung durch einen Rückgriff auf die klassischen Auslegungsmethoden bestimmen lässt (so verweist die Gesetzesbegründung auf E-Mails, während Webseitenangaben – vom Normzweck her zutreffend – nicht als ausreichend erachtet werden, s. BT-Drucks. 17/12637, S. 44 sowie EuGH, Urt. v. 5.7.2012 – C-49/11, Rn. 50, NJW 2012, 2637 ff.).
Die reformbedingte Neudefinition des "Warenbegriffs" im Allgemeinen Schuldrecht in § 241a Abs. 1 BGB (der Begriff "Sache" wird durch den Begriff "Ware" ersetzt und zugleich definiert, vgl. BT-Drucks. 17/12637, S. 44) hingegen gilt als missglückt, zumal weder die Notwendigkeit einer solchen Legaldefinition (zudem außerhalb des "kleinen Sachenrechts" der §§ 90 ff. BGB) noch deren Inhalt systematisch überzeugt (vgl. zur Normierung auch Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 241a BGB Rn. 1, 3 m.w.N.).
Hinweis:
Die maßgebliche Bereichsausnahme in Art. 2 Nr. 3 VRRL ist bereits mit § 312 Abs. 2 Nr. 13 BGB umgesetzt. Auch der Standort de...