Nachdem zuvor bereits mit dem Gesetz vom 10.5.2012 ("Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches zum besseren Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Kostenfallen im elektronischen Geschäftsverkehr und zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes", BGBl. I, S. 1084) ein Teilbereich der VRRL im deutschen Privatrecht realisiert worden ist, hat das Umsetzungsgesetz vom 20.9.2013 zu weitreichenden Änderungen insbesondere des BGB geführt.
Wie der notwendig kursorische Überblick zu den Neuregelungen des Umsetzungsgesetzes gezeigt hat, sind "Licht und Schatten" der Reform zu erkennen: Determinierend ist die "integrierte Umsetzung des Richtlinienprivatrechts im BGB" (so Wendehorst NJW 2014, 577 ff., 584). Diese hat den deutschen Gesetzgeber vor große rechtssystematische Herausforderungen gestellt, denen er jedoch nur eingeschränkt gerecht geworden ist.
Zu beklagen sind vor allem dogmatische Ungereimtheiten (vgl. z.B. bei § 241a Abs. 1 BGB und § 323 Abs. 2 BGB, s.o.) und insbesondere die – nach Normsprache, Normausgestaltung und Verweisungstechnik – insgesamt wenig transparenten Regelungen über Widerrufsrechte und Informationspflichten (a.A. Wendehorst NJW 2014, 577 ff., 584; s. dagegen S. Neumann JM 2015, 316 ff., 317 f.).
Viele Reformneuerungen (insbesondere in §§ 312, 312a BGB) sind gerade für typische Verbraucher nur schwer zu überschauen, da auch bei den allgemeinen (Verbrauchervertrags-)Regelungen zwischen Bestimmungen für alle und solchen nur für bestimmte Verbraucherverträge über entgeltliche Leistungen zu differenzieren ist (s. auch Tonner VuR 2013, 443 ff., 444 f.). Dies ist jedoch vor allem der "Qualität" und dem Reformanspruch der VRRL als Detailrichtlinie geschuldet, die der deutsche Gesetzgeber fristgerecht umsetzen musste. Angesichts der Richtlinienziele ist daher der Fokus schwerpunktmäßig nicht auf einen angemessenen Interessenausgleich, sondern auf einen europarechtskonformen und zugleich kohärenten Lösungsweg des Gesetzgebers für das deutsche Privatrecht zu richten. Das Ziel der Richtlinie, zu einem hohen Verbraucherschutzniveau beizutragen, kann für das deutsche Recht überwiegend bejaht werden. Hervorhebenswert sind dabei etwa die beiden "klassischen" Instrumente des europäischen und deutschen Verbraucherschutzrechts, Informationspflichten und Widerrufsrechte bei Verbraucherverträgen, wenngleich deren konkrete Ausgestaltung rechtspraktische wie -dogmatische Kritik rechtfertigt.
Hinzu kommt, dass das Umsetzungsgesetz insgesamt zu zahlreichen und weitreichenden Veränderungen geführt hat: So konnte etwa die enge Verknüpfung von Fernabsatzverträgen und Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen aufgrund der unterschiedlichen Vorgaben aus zwei (vollharmonisierten) EU-Richtlinien nicht beibehalten werden (s. dazu BT-Drucks. 17/12637, S. 33).
Literaturhinweis:
Einen Überblick hinsichtlich des neuen europäischen Verbraucherwiderrufrechts in der Praxis mit Gestaltungshinweisen und Beispielen möglicher Widerrufsbelehrungen geben H. Schneider/Vierkötter in ihrem Beitrag "Das neue Widerrufsrecht 2014 bei Fernabsatzverträgen mit Ausnahme von Verträgen über Finanzdienstleistungen" in ZAP F. 3, S. 283 ff.
Fraglich ist, ob mit der neuen Regelungsflut (samt Sprache, Begrifflichkeit und Regelungsmethode, s. dazu auch die DAV-Stellungnahme 78/2012 v. Okt. 2012, S. 4) auch das weitere Ziel der VRRL, zu einem besseren Funktionieren des Binnenmarktes für Geschäfte zwischen Unternehmern und Verbrauchern beizutragen, befördert wird. Hilfreich hierfür ist die Angleichung der differierenden Regelungen des EU-Verbraucherprivatrechts (Zusammenführung und Überarbeitung von Haustürgeschäfterichtlinie 85/577/EWG und Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG), soweit dadurch Unstimmigkeiten beseitigt und Regelungslücken geschlossen werden.
Es ist jedoch zweifelhaft, ob dabei die große Regelungsdichte der VRRL, die durch das deutsche Umsetzungsgesetz noch gesteigert wird, im Ergebnis förderlich ist. Es stellt sich vielmehr die Frage, ob dies nicht zu einer "Überinformation" – und damit letztlich zu weniger Transparenz (für Verbraucher und Unternehmer) im europäischen und deutschen Verbraucherschutzrecht führt.
Autor: apl. Prof. Dr. Nikolaj Fischer, J. W. Goethe-Universität Frankfurt a.M./Universität Kassel
ZAP 2/2015, S. 1073 – 1084