Der 71. Deutsche Juristentag (djt) fand in diesem Jahr vom 13. bis zum 16. September in Essen statt. Er erarbeitete wieder eine Reihe von Beschlüssen zu hochaktuellen Themen wie etwa der zunehmenden Digitalisierung aller Lebensbereiche und ihren Auswirkungen auf das Zivil- und Arbeitsrecht oder zum Reformbedarf im Familienrecht angesichts der Lebenswirklichkeit moderner Familien und den Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin. Die Beschlüsse des Juristentages verstehen sich nur als Empfehlungen, haben aber in der Vergangenheit stets Einfluss auf die Gesetzgebung gehabt. Nachfolgend wiedergegeben sind die aus Sicht der Anwaltschaft interessantesten Beschlüsse.
Zivilrecht: Zum Themenkomplex "Verträge über digitale Inhalte" sprach sich die Abteilung Zivilrecht des djt gegen die Schaffung eines neuen besonderen Vertragstyps für digitale Inhalte aus. Jedoch solle der Gesetzgeber hier Sonderregelungen für das Leistungsstörungsrecht schaffen. Auch stimmten die Teilnehmer dafür, dass die Anbieter digitaler Inhalte im Falle des Widerrufs oder einer sonstigen Beendigung des Vertrags verpflichtet werden sollten, die vom Nutzer zur Verfügung gestellten digitalen Inhalte zurück zu gewähren.
Arbeits- und Sozialrecht: Die zuständige Abteilung des djt befasste sich eingehend mit der zunehmenden Computerisierung der Arbeitswelt und ihren Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation. Im Blick der Teilnehmer waren insbesondere neue Formen der Beschäftigung von Arbeitskräften wie etwa das "Homeoffice" und das "Crowdworking". Dem Gesetzgeber wurde mit großer Mehrheit empfohlen, bei mobilisierbaren Tätigkeiten ein Recht auf das Arbeiten im "Homeoffice" einzuführen, solange keine betrieblichen Gründe entgegenstehen. Hierbei sollten die Regelungen des Arbeitsstättenrechts auf die vom Arbeitgeber eingerichteten häuslichen Arbeitsplätze ausgeweitet werden mit dem Ziel, dass die Arbeitsbedingungen gesundheitlich unbedenklich sind.
Zum Schutz selbstständiger "Crowdworker" beschlossen die Teilnehmer die Empfehlung an den Gesetzgeber, einen gesetzlichen Mindestschutz zu normieren, etwa für Entgelt, Arbeitsschutz und Vertragsbeendigung. Zudem sollten diese schutzbedürftigen Selbstständigen über das geltende Recht hinaus in die gesetzliche Sozialversicherung einbezogen werden, arbeitnehmerähnliche Crowdworker zudem in die jeweilige Betriebsverfassung.
Strafrecht: Mit Blick auf die derzeit stark diskutierte Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtssälen (s. dazu ZAP Anwaltsmagazin 18/2016, S. 943; Huff ZAP 15/2016, S. 763 f. und van Bühren ZAP 19/2016, S. 996) sprachen sich die Teilnehmer zwar dagegen aus, Ton- und Filmaufnahmen der gesamten öffentlichen Hauptverhandlung in allen Gerichten pauschal zuzulassen. Auf Ablehnung stieß auch der Antrag, zumindest die Entscheidungsverkündungen aus den Gerichtssälen übertragen zu können. Angenommen wurde dagegen der Antrag, für Hauptverhandlungen an den obersten Gerichtshöfen des Bundes eine dem § 17a BVerfGG entsprechende Norm einzuführen, die Bild- und Tonaufnahmen und deren Veröffentlichung vom Beginn der Gerichtsverhandlung sowie von der Entscheidungsverkündung ermöglicht.
Öffentliches Recht: Im Fokus der zuständigen Abteilung des djt stand in diesem Jahr der Umfang des Verwaltungsrechtsschutzes unter dem Einfluss des EU-Rechts. Hier erkannten die Teilnehmer u.a. das Bedürfnis für eine allgemeine Rahmenregelung zur Verbandsklage in der VwGO. Zwar sollten keine prokuratorischen Verbandsrechte eingeführt werden; jedoch sollte z.B. im Umweltrecht den anerkannten Umwelt- und Naturschutzverbänden ein Klagerecht gegen alle staatlichen Entscheidungen im Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie und der IVU-Richtlinie eingeräumt werden.
Gesellschaftsrecht: Im Mittelpunkt der wirtschaftsrechtlichen Diskussionen auf dem Juristentag standen in diesem Jahr Rechtsfragen zum Personengesellschaftsrecht. Bereits mit ihrem Eingangsbeschluss konstatierten die Teilnehmer, dass es einer Reform des Personengesellschaftsrechts bedarf, um das geschriebene Recht mit dem geltenden Recht wieder in Einklang zu bringen. Um dies zu erreichen, wurde eine Vielzahl von Empfehlungen an den Gesetzgeber ausgesprochen, etwa die richterrechtlich geschaffene Rechtsfähigkeit der Außen-GbR gesetzlich zu normieren. Hinsichtlich der berufsständischen Personengesellschaften empfahlen die Teilnehmer, die KG und die GmbH & Co. KG allen freien Berufen zur Verfügung zu stellen und das Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) im Gegenzug zu streichen. Insgesamt sollten die Möglichkeiten zur interprofessionellen Zusammenarbeit der freien Berufe erweitert werden.
Familienrecht: Die Familienrechtler des djt befassten sich in diesem Jahr schwerpunktmäßig mit den Herausforderungen durch neue Familienformen und den Fragen, die die Reproduktionsmedizin aufwirft. Zum Thema Samenspende sprachen sie sich etwa für einen Ausschluss der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft des Spenders aus. Auch forderten sie ein Recht des per Samenspende gezeugten Kindes ...