1. Verabreichung von Betäubungsmitteln (§ 223 Abs. 1 Nr. 1 StGB)
Das OLG Zweibrücken (Beschl. v. 11.1.2016 – 1 OLG 1 Ss 2/16) hatte über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Der Angeklagte besucht an Heiligabend seine Mutter zu einem gemeinsamen Heiligabendfest. Der Angeklagte brachte selbstgebackene Plätzchen mit, in die er Cannabis eingearbeitet hatte. Für jeden Gast auf der Feier offen zugänglich legte der Angeklagte diese Kekse auf den Tisch, auf dem sich auch normales Weihnachtsgebäck zum Verzehr befand. Die zum Fest anwesenden Personen, unter denen sich u.a. ein 17-Jähriger und ein 15-Jähriger befanden, klärte der Angeklagte absichtlich nicht darüber auf, dass die von ihm gebackenen Plätzchen Cannabis enthielten. Der Angeklagte nutzte seinen Wissensvorsprung dazu aus, dass sich die unwissenden Anwesenden hiervon nehmen würden. Im Laufe des Abends aßen der 17-Jährige und ein Bruder des Angeklagten jeweils von den Keksen. Dabei war der psychoaktive Wirkstoffgehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) von denkbar geringer Natur, jedoch so hoch, dass der Bruder des Angeklagten nach dem Konsum fast eines ganzen Kekses Schweißausbrüche erlitt, kreidebleich wurde und zu zittern begann. Der 17-Jährige schmeckte bei dem Verspeisen eines dieser Kekse Haschisch. Das AG hat den Angeklagten wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren im minderschweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung im minderschweren Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen richtete sich die Revision, die beim OLG Zweibrücken Erfolg hatte.
Das OLG (a.a.O.) führt u.a. aus: Soweit das AG die aufgetretenen körperlichen Reaktionen in Form von Schweißausbrüchen, Zittern und dem zwischenzeitlichen Verlust der Gesichtsfarbe ("kreidebleich") als pathologischen Zustand in Form eines psychovegetativen Erschöpfungszustands qualifiziert, sei dagegen zunächst rechtlich nichts zu erinnern. Der objektive Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB verlange allerdings über das Vorliegen einer einfachen Gesundheitsschädigung hinaus, dass die verwendete Substanz nach der Art der Anwendung oder Zuführung des Stoffes, seiner Menge oder Konzentration, ebenso aber auch nach dem Alter und der Konstitution des Opfers mit der konkreten Gefahr einer erheblichen Schädigung im Einzelfall verbunden ist (BGHSt 51, 18 = NJW 2006, 1822). Erheblich sei eine solche Schädigung dann, wenn sie nach Intensität oder Dauer überdurchschnittlich sei. Die vom AG beim Bruder des Angeklagten festgestellte Schädigung der Gesundheit in Form von Schweißausbrüchen, Zittern und dem zwischenzeitlichen Verlust der Gesichtsfarbe ("kreidebleich") weise für sich genommen eine erhebliche Beeinträchtigung nach Intensität oder Dauer noch nicht aus. Das AG wäre daher gehalten gewesen, zusätzliche Feststellungen dazu zu treffen, ob die vom Angeklagten verwendete Menge (ca. 0,6 g) Haschisch "mit einem psychoaktiven Wirkstoffgehalt an THC von denkbar geringer Natur" mit der konkreten Gefahr einer weitergehenden, erheblichen Schädigung der Gesundheit verbunden gewesen sei.
Hinweis:
§ 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfasst auch Stoffe des täglichen Bedarfs, allerdings muss ihre Beibringung mit der konkreten Gefahr einer erheblichen Schädigung im Einzelfall verbunden sein (BGH a.a.O.). Das muss sich aus den tatsächlichen Feststellungen ergeben.
2. Gefährliche Körperverletzung "mittels eines gefährlichen Werkzeugs" (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB)
Die Körperverletzungsdelikte spielen in der Rechtsprechung der Obergerichte eine große Rolle (vgl. dazu eingehend die Rechtsprechungsübersicht von Lorenz StRR 2014, 207 ff.; StRR 7/2016, 4 ff. und Nr. 8/2016, 4 ff.). Aus der umfangreichen Rechtsprechung zu den §§ 223 ff. StGB ist hinzuweisen auf mehrere Entscheidungen des BGH zu § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB – mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs – in denen die Begehung der Tat mit einem Kraftfahrzeug von Bedeutung war (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Im Beschluss vom 30.7.2013 (4 StR 275/13, NStZ 2014, 36) hatte der BGH noch einmal (vgl. u.a. auch StV 2013, 438 f.) darauf hingewiesen, dass Voraussetzung einer gefährlichen Körperverletzung durch Anfahren mit einem Pkw ist, dass die Verletzungsfolge durch unmittelbaren Kontakt zwischen Fahrzeug und Person eintritt. Verletze sich eine Person, weil ein Pkw auf sie zufährt und stürze sie deshalb, liege eine gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) nicht vor, wenn die Verletzung (nur) auf dem Sturz beruhe. Voraussetzung für das Vorliegen einer gefährlichen Körperverletzung sei, dass die Verletzung durch den unmittelbaren Kontakt zwischen Fahrzeug und Person verursacht wird.
Nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt war eine psychisch gestörte Frau mit ihrem Pkw zwei jugendlichen Zeitungsausträgern, die mit ihren Fahrrädern unterwegs waren, hinterher gefahren. Diese versuchten, vor der Frau zu fliehen. Im Rahmen der Flucht fuhr die Frau zielgerichtet auf einen der Zeitungsausträger zu, so dass dieser von seinem Fahrrad stürzte und sich Verletzungen zuzog. Das LG hatte in diesem Vorfall u.a. eine gefährliche Körperverlet...