In seiner Entscheidung hat das BAG die Gelegenheit genutzt, anhand einer altersabhängigen Spätehenklausel das Verhältnis von Betriebsrenten- und Antidiskriminierungsrecht zu präzisieren und entschieden, dass eine altersabhängige Spätehenklausel, die einem Arbeitnehmer eine Hinterbliebenenversorgung für seinen Ehe-/Lebenspartner nur dann gewährt, wenn die Ehe/Partnerschaft vor Vollendung des 60. Lebensjahres geschlossen worden ist, als unzulässige Altersdiskriminierung unzulässig und damit unwirksam ist.
Hieraus ergeben sich folgende Konsequenzen:
- Jede in Versorgungsbestimmungen enthaltene Leistungsvoraussetzung, dass eine betriebliche Hinterbliebenenrente nur dann gezahlt wird, wenn die Ehe vor Vollendung eines konkreten vor Eintritt eines Versorgungsfalls bzw. vor Eintritt in den Ruhestand liegenden Alters geschlossen worden ist, ist vor dem Hintergrund der aktuellen BAG-Entscheidung rechtsunwirksam.
- Die sich daraus ergebenden Konsequenzen sind ab sofort zwingend zu beachten, d.h. die entsprechende Klausel kann nicht mehr leistungsausschließend angewendet werden.
- Darüber hinaus müssen Arbeitgeber auch damit rechnen, rückwirkend von Hinterbliebenen in Anspruch genommen zu werden, die nach Inkrafttreten des AGG (18.8.2006) von einer solchen Spätehenklausel erfasst und von der Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen worden sind.
Im Rahmen der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung finden sich diverse Regelungen, die das finanzielle Risiko des Arbeitgebers begrenzen sollen. Dazu zählen sog. Spätehenklauseln, die verschiedene Gestaltungsformen haben: Entweder wird ein Leistungsanspruch ausgeschlossen, wenn
- die Ehe erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses,
- erst nach einem bestimmten Höchstalter (z.B. – wie hier – erst ab der Vollendung des 60. Lebensjahres) oder
- erst nach Eintritt des Versorgungsfalls
geschlossen wird. Bei derartigen Fallgestaltungen stellt sich automatisch die Frage nach der Vereinbarkeit der einzelnen Klausel mit dem AGG sowie der dem AGG zugrunde liegenden EU-Richtlinie 2000/78/EG.
Nach § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen des Alters benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Eine Risikobegrenzung (Begrenzung der finanziellen Lasten des Arbeitgebers bzw. des Versorgungsträgers) ist in diesem Zusammenhang daher nur dann zulässig, wenn sie angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist.
§ 10 S. 3 AGG enthält eine Aufzählung von Tatbeständen, wonach unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters insbesondere gerechtfertigt sein können. Nach § 10 S. 3 Nr. 4 AGG ist u.a. die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft in einem betrieblichen Versorgungssystem oder für den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität aus einem solchen Betriebsrentensystem gerechtfertigt. Diese Bestimmung erfasst von seinem Wortlaut her ausschließlich die Alters- und Invaliditätsversorgung, nicht jedoch die Hinterbliebenenversorgung.
Von daher bleibt allenfalls die Generalklausel des § 10 S. 1 AGG als Rechtfertigungsmöglichkeit. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters dann zulässig, wenn sie "objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist". Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 S. 2 AGG ebenfalls angemessen und erforderlich sein.
Legitime Ziele können grundsätzlich nur solche sein, die den Interessen der Beschäftigten Rechnung tragen. Ziele, die ausschließlich im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie allgemeine Kostenreduzierung, Reduzierung des administrativen Aufwands oder Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, können daher eine Altersdiskriminierung nicht nach § 10 S. 1 AGG rechtfertigen.
Das BAG erkennt zwar im Zusammenhang mit der Gewährung einer betrieblichen Hinterbliebenenversorgung ausdrücklich auch an, dass arbeitgeberseitig ein berechtigtes Interesse daran besteht, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, um den Versorgungsaufwand verlässlich kalkulieren zu können.
Entschließt sich der Arbeitgeber dazu, ohne rechtliche Verpflichtung und damit freiwillig eine Hinterbliebenenversorgung zuzusagen, so ist er nach Ansicht des BAG grundsätzlich auch berechtigt, die Hinterbliebenenversorgung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen und damit Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von dieser Versorgung auszuschließen. Auch liegt eine Begrenzung des Kreises der anspruchsberechtigten Dritten durch zusätzliche anspruchsbegründende oder besondere anspruchsausschließende Merkmale gerade im Bereich der Hinterbliebenenversorgung nahe, weil ein dahingehendes Leistungsversprechen zusätzliche Unwägbarkeiten und Risiken mit sich bringt. Diese betreffen nicht nur den Zeitpunkt des Leistungsfalls, sondern auch die Dauer der Leistungserbringung.
Hinweis:
Gerade diese Aspekte werden aber durch eine altersabhäng...