Leitsatz des Gerichts:
Eine Spätehenklausel, die einem Arbeitnehmer Hinterbliebenenversorgung für seinen Ehegatten nur für den Fall zusagt, dass die Ehe vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Arbeitnehmers geschlossen ist, benachteiligt den Arbeitnehmer unzulässig wegen des Alters.
BAG, Urt. v. 4.8.2015 – 3 AZR 137/13, ZAP EN-Nr. 76/2016
Bearbeiter: Rechtsanwalt Dr. Uwe Langohr-Plato, Köln
I Sachverhalt
Das BAG hatte über eine Klage auf eine betriebliche Witwenrente zu entscheiden.
Die Klägerin ist die Witwe eines im April 1947 geborenen und im Dezember 2010 verstorbenen ehemaligen Mitarbeiters der Beklagten. Diesem waren Leistungen der betrieblichen Altersversorgung einschließlich einer Witwenversorgung zugesagt worden. Die maßgebliche Pensionsregelung enthält eine "Spätehenklausel", nach der zusätzliche Voraussetzung für die Zahlung der Witwen-/Witwerrente ist, dass der versorgungsberechtigte Mitarbeiter die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hat. Diese Voraussetzung erfüllte der verstorbene Ehemann der Klägerin nicht; die Ehe war erst am 8.8.2008 geschlossen worden, zu einem Zeitpunkt also, als der versorgungsberechtigte Mitarbeiter bereits das 63. Lebensjahr vollendet hatte. Die Beklagte verweigerte daher unter Bezugnahme auf die in der Versorgungsordnung enthaltene Spätehenklausel die Zahlung einer Witwenrente.
Nachdem die Klage in den ersten beiden Instanzen abgewiesen worden ist, hat das BAG der Klägerin die von ihr begehrte Hinterbliebenenrente zugesprochen und die konkret verwendete Spätehenklausel als eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach §§ 1, 3 Abs. 1 S. 1, § 7 Abs. 1 AGG und damit altersdiskriminierend bewertet, die nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt und deshalb nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist.
II Entscheidung
In seiner Entscheidung hat das BAG die Gelegenheit genutzt, anhand einer altersabhängigen Spätehenklausel das Verhältnis von Betriebsrenten- und Antidiskriminierungsrecht zu präzisieren und entschieden, dass eine altersabhängige Spätehenklausel, die einem Arbeitnehmer eine Hinterbliebenenversorgung für seinen Ehe-/Lebenspartner nur dann gewährt, wenn die Ehe/Partnerschaft vor Vollendung des 60. Lebensjahres geschlossen worden ist, als unzulässige Altersdiskriminierung unzulässig und damit unwirksam ist.
Hieraus ergeben sich folgende Konsequenzen:
- Jede in Versorgungsbestimmungen enthaltene Leistungsvoraussetzung, dass eine betriebliche Hinterbliebenenrente nur dann gezahlt wird, wenn die Ehe vor Vollendung eines konkreten vor Eintritt eines Versorgungsfalls bzw. vor Eintritt in den Ruhestand liegenden Alters geschlossen worden ist, ist vor dem Hintergrund der aktuellen BAG-Entscheidung rechtsunwirksam.
- Die sich daraus ergebenden Konsequenzen sind ab sofort zwingend zu beachten, d.h. die entsprechende Klausel kann nicht mehr leistungsausschließend angewendet werden.
- Darüber hinaus müssen Arbeitgeber auch damit rechnen, rückwirkend von Hinterbliebenen in Anspruch genommen zu werden, die nach Inkrafttreten des AGG (18.8.2006) von einer solchen Spätehenklausel erfasst und von der Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen worden sind.
Im Rahmen der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung finden sich diverse Regelungen, die das finanzielle Risiko des Arbeitgebers begrenzen sollen. Dazu zählen sog. Spätehenklauseln, die verschiedene Gestaltungsformen haben: Entweder wird ein Leistungsanspruch ausgeschlossen, wenn
- die Ehe erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses,
- erst nach einem bestimmten Höchstalter (z.B. – wie hier – erst ab der Vollendung des 60. Lebensjahres) oder
- erst nach Eintritt des Versorgungsfalls
geschlossen wird. Bei derartigen Fallgestaltungen stellt sich automatisch die Frage nach der Vereinbarkeit der einzelnen Klausel mit dem AGG sowie der dem AGG zugrunde liegenden EU-Richtlinie 2000/78/EG.
Nach § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen des Alters benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Eine Risikobegrenzung (Begrenzung der finanziellen Lasten des Arbeitgebers bzw. des Versorgungsträgers) ist in diesem Zusammenhang daher nur dann zulässig, wenn sie angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist.
§ 10 S. 3 AGG enthält eine Aufzählung von Tatbeständen, wonach unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters insbesondere gerechtfertigt sein können. Nach § 10 S. 3 Nr. 4 AGG ist u.a. die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft in einem betrieblichen Versorgungssystem oder für den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität aus einem solchen Betriebsrentensystem gerechtfertigt. Diese Bestimmung erfasst von seinem Wortlaut her ausschließlich die Alters- und Invaliditätsversorgung, nicht jedoch die Hinterbliebenenversorgung.
Von daher bleibt allenfalls die Generalklausel des § 10 S. 1 AGG als Rechtfertigungsmöglichkeit. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters dann zulässig, wenn sie "objektiv und...