Einige der interessantesten Entscheidungen des BGH, die in der zweiten Jahreshälfte 2017 veröffentlicht wurden, befassen sich mit der Reichweite der Anwaltshaftung (s. auch den Überblick bei Borgmann NJW 2017, 3344 ff.).
1. Sorgfaltspflichten bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax
Noch eher konventionell mutet insofern ein Beschluss des II. Zivilsenats des BGH vom 23.5.2017 (Az. II ZB 19/16, ZAP EN-Nr. 664/2017) an, mit dem einer Rechtsbeschwerde stattgegeben wurde, die sich gegen die Versagung der Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist wendete. Der Kläger und Beschwerdeführer hatte die Berufungsfrist versäumt, weil die zweite Seite der Berufungsschrift mit der abschließenden Unterschrift seines Prozessbevollmächtigten am letzten Tag des Fristlaufs nicht per Fax an das zuständige Gericht übermittelt worden war. Die zuständige Rechtsanwaltsfachangestellte im Büro des Prozessbevollmächtigten hatte zwar weisungsgemäß das Sendeprotokoll des Faxgeräts auf eine vollständige und ordnungsgemäße Übermittlung hin überprüft, ihr war das Fehlen der zweiten Seite aber nicht aufgefallen. Zu Recht stellte der BGH klar, dass die hier sowohl allgemein als auch auf den konkreten Übersendungsvorgang hin erfolgte Weisung des Prozessbevollmächtigten notwendig (vgl. insofern auch BGH, Beschl. v. 27.6.2017 – VI ZB 32/16), aber auch ausreichend war, um ein Organisationsverschulden und damit eine Verschuldenszurechnung zum Mandanten über § 85 Abs. 2 ZPO auszuschließen. Weder hätte der Rechtsanwalt zusätzlich eine nachträgliche inhaltliche Kontrolle der versandten Schriftstücke noch ihre getrennte Übersendung, geschweige denn eine telefonische Rückfrage bezüglich der vollständigen Übermittlung bei der zuständigen Geschäftsstelle, veranlassen müssen.
2. Unrichtige Rechtsmittelbelehrung
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf einen Beschluss des V. Zivilsenats vom 28.9.2017 (Az. V ZB 109/16), mit welchem der Senat seine Anfang des Jahres begründete Rechtsprechungslinie fortsetzt (vgl. Beschl. v. 9.3.2017 – V ZB 18/16, ZAP EN-Nr. 434/2017), nach der ein Rechtsanwalt in aller Regel einem unverschuldeten Rechtsirrtum unterliegt, wenn er in einer Wohnungseigentumssache aufgrund einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung Berufung nicht bei dem nach § 72 Abs. 2 GVG zuständigen Berufungsgericht, sondern bei dem für allgemeine Zivilsachen zuständigen Berufungsgericht einlegt. Als Folge dieser Rechtsprechung ist der Partei Wiedereinsetzung in die aus diesem Grund versäumte Berufungsfrist zu gewähren (vgl. zustimmend Geisler jurisPR-BGHZivilR 12/2017 Anm. 3). Die Entscheidung zeigt, dass selbst der BGH bei der Frage, ob eine Zuständigkeitskonzentration i.S.d. § 72 Abs. 2 GVG eintritt, so viele Unwägbarkeiten sieht, dass eine insofern unrichtige Rechtmittelbelehrung praktisch nie "offenkundig fehlerhaft" sein kann; eine solche Sichtweise wäre aber Voraussetzung, um die Vermutungsregelung in § 233 S. 2 ZPO widerlegen zu können.
Insgesamt ist es zu begrüßen, dass sich ein Anwalt nach Auffassung des BGH grundsätzlich auf die vom Gericht erteilten Rechtsmittelbelehrungen verlassen können muss. Der V. Zivilsenat hat in seiner jüngsten Entscheidung sogar einem Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht im Hinblick auf die Frage der offenkundigen Fehlerhaftigkeit keinen erhöhten Kenntnisstand unterstellt. Man wird gleichwohl die Entscheidung nicht dahingehend verallgemeinern können, dass ein Anwalt stets ausnahmslos auf die erteilte Rechtsmittelbelehrung vertrauen darf. Immerhin hatte der V. Senat bei einer Belehrung, die statt einer Rechtsbeschwerde "die Beschwerde" als statthaftes Rechtsmittel angeführt hatte, noch anders entschieden (vgl. Beschl. v. 12.10.2016 – V ZB 178/15, s. auch die restriktive Entscheidung, die das LSG Niedersachsen mit Beschl v. 24.8.2017 – L 14 U 49/17 getroffen hat). Auch lässt sich der Entscheidung nicht allgemein entnehmen, dass mit der Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung insgesamt kein erhöhter Verschuldensmaßstab des Rechtsanwalts verbunden sein kann.
3. Haftung des Anwaltsmediators
Für großes Aufsehen hat ein Urteil des IX. Zivilsenats des BGH vom 21.9.2017 (Az. IX ZR 34/17, ZAP EN-Nr. 687/2017) gesorgt. Der BGH hatte insofern erstmalig die Gelegenheit, sich zu den Berufspflichten und der Berufshaftung eines als Mediator tätigen Rechtsanwalts (Anwaltsmediators) zu äußern. Der Entscheidung liegt ein überaus atypischer Sachverhalt zugrunde, in dem ein gravierendes Fehlverhalten gleich mehrerer anwaltlicher Berufsträger in Rede stand: Eine Anwaltsmediatorin, die spätere Beklagte, beriet ein Ehepaar, das eine kostengünstige und einvernehmliche Scheidung anstrebte. Für den Ehemann zog die Beklagte eine weitere Anwältin als Verfahrensbevollmächtigte im Scheidungsverfahren heran, für die Ehefrau trat ein "Fluranwalt" als Terminsvertreter, der spätere Kläger, auf. Die beiden Parteivertreter erklärten in der mündlichen Verhandlung jeweils einen Verzicht auf Durchführung des Versorgungsausgleichs und einen Rechtsmittelverzicht, obwohl es zu der durch die Beklagten anvisierten Scheidungsfolgenvereinbarung außerhalb des gerichtlichen Scheidungsverfa...