1. Mangelhafte Abwägung bei Versagung der Zulassung wegen Unwürdigkeit
Bereits in der letzten Ausgabe des Berufsrechtsreports war der Fall einer Assessorin vorgestellt worden, die während ihres Referendariats im Anschluss an eine vermeintlich ungerechte Behandlung ihren ausbildenden Staatsanwalt mit drastischen Worten angegangen hatte und hierfür zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden war (ZAP 16/2017, S. 837, 847). Die Rechtsanwaltskammer Köln hatte diesen Vorfall zum Anlass genommen, um den Zulassungsantrag der Bewerberin wegen Unwürdigkeit (§ 7 Nr. 5 BRAO) abschlägig zu bescheiden. Das BVerfG (Beschl. v. 22.10.2017 – 1 BvR 1822/16) hat nun diese Zulassungsversagung sowie die beiden sie bestätigenden Entscheidungen (AGH NRW, Urt. v. 30.10.2015 – 1 AGH 25/15; BGH, Beschl. v. 27.6.2016 – AnwZ [Brfg] 10/16) im Verfassungsbeschwerdeverfahren kassiert. Die 1. Kammer des Ersten Senats hat in ihrer zutreffenden Entscheidung hervorgehoben, dass die Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG darstelle. Verfassungsrechtlich sei eine einzelfallbezogene Abwägung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers mit den der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft entgegenstehenden Gemeinwohlbelangen geboten. Zwar könne sich ein festgestelltes Fehlverhalten auch noch einige Zeit später zulasten des Bewerbers auswirken, wenn er sich weiterhin uneinsichtig zeigt und die Tat rechtfertigt. Es genüge jedoch für die Rechtmäßigkeit der Zulassungsversagung nicht, wenn sich die Entscheidung darauf beschränke, aus der Würdigung der Persönlichkeit der Bewerberin den Schluss zu ziehen, dass sie für den Anwaltsberuf nicht tragbar sei. Vielmehr sei eine Prognoseentscheidung im Hinblick auf die Beeinträchtigung der einer Zulassung entgegenstehenden Interessen der Öffentlichkeit notwendig. In ihr hätte ausgeführt werden müssen, dass und warum davon auszugehen sei, dass die Antragstellerin im Falle ihrer Zulassung als Rechtsanwältin in einer Art und Weise auftreten würde, die das Vertrauen in die Integrität der Rechtsanwaltschaft insbesondere im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege beeinträchtigen könnte, sei es, dass Gerichte Rechtsstreitigkeiten nicht mehr zielgerichtet und zweckmäßig betreiben oder aber die Rechtsuchenden eine vertrauenswürdige Rechtsberatung und Vertretung im Rechtsstreit nicht erlangen könnten.
Trotz der erfolgreichen Verfassungsbeschwerde muss die Beschwerdeführerin weiter auf ihre bereits im August 2014 beantragte Zulassung zur Rechtsanwaltschaft warten. Denn das BVerfG hat sich – in gewohnter Zurückhaltung – darauf beschränkt, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den AGH NRW zurückzuverweisen. Es ist aber nicht damit zu rechnen, dass der AGH angesichts der deutlichen Fingerzeige aus Karlsruhe der Antragstellerin erneut die Zulassung versagen wird (Deckenbrock NJW 2017, 3706, 3707).
2. Vortätigkeiten im Staatsdienst und anwaltliche Berufsausübung
Immer wieder kommt es vor, dass Juristen nach Beendigung ihrer Zeit im Staatsdienst noch eine anwaltliche Tätigkeit aufnehmen wollen. Grundsätzlich ist das auch ohne weiteres zulässig, zwei aktuelle Entscheidungen zeigen jedoch, dass auch tatsächlich Abstand von der vorherigen Tätigkeit genommen werden muss.
So entschied der AGH Sachsen-Anhalt (Urt. v. 31.3.2017 – 1 AGH 1/16), dass ein Ministerialdirigent, dem Altersteilzeit im Blockmodell bewilligt worden ist und der sich in der Freistellungsphase befindet, gem. § 7 Nr. 10 BRAO keinen Anspruch auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft hat. Insofern erachtet es das erkennende Gericht richtigerweise für maßgeblich, dass für den Kläger trotz der Freistellung vom Dienst, anders als für den in den einstweiligen Ruhestand versetzten Beamten, weiterhin sämtliche Pflichten eines im aktiven Dienstverhältnis stehenden Beamten gelten, also von einer Nebentätigkeit und damit einem geringer schutzbedürftigen Zweitberuf auszugehen ist.
Das BVerwG bestätigte in seinem Urteil vom 4.5.2017 (Az. 2 C 45/16, ZAP EN-Nr. 582/2017) demgegenüber zumindest teilweise eine erstinstanzliche Entscheidung des VG Münster, nach der einem in den Ruhestand versetzten Richter gem. § 71 DRiG i.V.m. § 41 S. 2 BeamtStG eine Karenzfrist auferlegt werden kann, vor deren Ablauf er nicht als Rechtsanwalt vor dem Gericht, an dem er zuvor tätig war, auftreten darf. Mit dem Tätigkeitsverbot soll bereits der Anschein eines möglichen Interessen- und Loyalitätskonflikts im Dienstbereich des Gerichts vermieden und auf diese Weise die Integrität der Rechtspflege und das Vertrauen in diese geschützt werden. Eine bloße Hintergrundberatung oder andere "of counsel"-Aktivitäten, die auch für die früheren Kollegen nicht erkennbar sind, hält das Gericht demgegenüber, genau wie die bloße Anwesenheit des früheren Richters in dem für die allgemeine Öffentlichkeit reservierten Zuschauerbereich des Gerichtssaals, für unmittelbar zulässig. Selbst ein örtlich und zeitlich begrenztes Verbot derartiger Tätigkeiten sei vor dem Hintergrund der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ni...