I. Vorbemerkung
Am 9.3.2017 hat der Bundestag das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch- und Schiffsregisterverfahren verabschiedet (BT-Drucks 18/8586 i.d.F. der BT-Drucks 18/11437). Der Bundesrat hat das Gesetz am 31.3.2017 ohne inhaltliche Änderungen gebilligt (BR-Drucks 199/17 und 199/1/17), am 4.5.2017 ist es verkündet worden (BGBl I, S. 969). Die Neuregelung gilt nach Art. 229 § 39 EGBGB für Bauverträge, die ab dem 1.1.2018 abgeschlossen werden.
Neben Änderungen des allgemeinen Werkvertragsrechts (§§ 631–bis 650 BGB, z.B. die Neuregelung der Abschlagszahlungen in § 632a BGB, der fiktiven Abnahme in § 640 Abs. 2 BGB und der Kündigung aus wichtigem Grund in § 648a BGB) hat das spezifische, weil komplexe und auf eine längere Erfüllungszeit angelegte Bauvertragsrecht nunmehr in Gestalt der Regelungen zum
- Bauvertrag (§§ 650a–h BGB),
- Verbraucherbauvertrag mit Einführung eines auf den Bau zugeschnittenen Verbraucherschutzes (§§ 650i–n BGB),
- Architekten- und Ingenieurvertrag (§§ 650p–t BGB) und zum
- Bauträgervertrag (§§ 650u–v BGB)
erstmals eine ausdrückliche und zusammenfassende Kodifizierung erfahren (dazu demnächst Ring, Das neue Bauvertragsrecht in der anwaltlichen Praxis, 2018, ZAP Verlag). Im Übrigen wurde auch die kaufrechtliche Mängelhaftung für Baustoffe an die Judikatur des EuGH angepasst. Nachstehend sollen allein der Bau- und der Verbraucherbauvertrag vorgestellt werden.
II. Der Bauvertrag
Der Gesetzgeber hat in Abgrenzung zum allgemeinen Werkvertrag (§ 631 BGB) in den §§ 650a–h BGB ein Sonderrecht für Bauverträge geschaffen.
1. Legaldefinition
Nach der Legaldefinition in § 650a Abs. 1 S. 1 BGB ist ein Bauvertrag ein Vertrag über
- die Herstellung,
- die Wiederherstellung,
- die Beseitigung oder
- den Umbau
eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon.
Bauwerk ist eine unbewegliche, durch Verwendung von Arbeit und Material mit dem Erdboden hergestellte und mit ihm nicht nur vorübergehend verbundene Sache. Außenanlagen sind Grundstücksflächen, die durch Erd-, Pflanz-, Rasen-, Saat-, landschaftsgärtnerische Entwässerungs- und vegetationstechnische Arbeiten besonders gestaltet werden. Herstellung ist die Errichtung einer baulichen Anlage. Bei einer Wiederherstellung werden auf noch vorhandenen Bau- oder Anlageteilen die zerstörten Teile wiederhergestellt. Beseitigung sind Abbruch-, aber auch Rückbauarbeiten. Und Umbau ist die Umgestaltung eines vorhandenen Objekts mit wesentlichen Eingriffen in die Konstruktion oder den Bestand.
Hinweis:
Ein Vertrag über die Instandhaltung eines Bauwerks (im Sinne von Maßnahmen zur Wiederherstellung des zum bestimmungsgemäßen Gebrauchs geeigneten Zustands, sofern dies kein Wiederaufbau ist) – nicht einer Außenanlage – ist nach § 650a Abs. 2 BGB ein Bauvertrag, wenn das Werk für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch von „wesentlicher Bedeutung“ ist.
2. Anwendbare Regelungen
Für den Bauvertrag gelten gem. § 650a Abs. 1 S. 2 BGB ergänzend, d.h. neben den allgemeinen werkvertraglichen Vorschriften in den §§ 631–650 BGB, die Regelungen des Kapitels 2 (§§ 650a–h BGB).
3. Einvernehmliche Vertragsänderung
Wenn der Besteller
begehrt (Änderungsbegehren), trifft die Vertragsparteien zunächst die Verpflichtung, Einvernehmen anzustreben (Einigungsbemühungen) über
- die Änderung selbst und
- die infolge der Änderung zu leistende Mehr- oder Mindervergütung,
bevor der Besteller von seinem einseitigen Anordnungsrecht (§ 650b Abs. 2 BGB, vgl. im Folgenden unter 4.) – was ein erhebliches Konfliktpotential in sich birgt – Gebrauch machen kann.
Der Unternehmer hat als Grundlage der Einigung gem. § 650b Abs. 1 S. 2 BGB ein Angebot über die Mehr- oder Mindervergütung zu erstellen. Im Falle einer Änderung nach § 650b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB gilt dies jedoch nur, wenn ihm die Ausführung der Änderung „zumutbar“ ist.
Unzumutbarkeit kann sich aus den technischen Möglichkeiten, der Ausstattung und der Qualifikation des Unternehmers bzw. aus betriebsinternen Vorgängen (z.B. Personalausstattung, fachliches Können oder geräte- und maschinentechnische Ausstattung) ergeben. Sie ist unter Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien zu ermitteln und liegt unterhalb der Schwelle des allgemeinen Leistungsverweigerungsrechts wegen Unzumutbarkeit (§ 275 Abs. 2, 3 BGB). Macht der Unternehmer betriebsinterne Vorgänge für eine Unzumutbarkeit nach § 650b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB geltend, trifft ihn gem. § 650b Abs. 1 S. 3 BGB die Beweislast hierfür.
Hinweis:
Trägt der Besteller die Verantwortung für die Planung des Bauwerks oder der Außenanlage (weil er damit z.B. schon bei der Grundbeauftragung einen Architekten betraut hat), ist der Unternehmer nach § 650b Abs. 1 S. 4 BGB nur dann zur Erstellung eines Angebots über die Mehr- oder Mindervergütung...