Bei Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, aus vorsätzlich begangener pflichtwidriger Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht oder einer Steuerstraftat des Schuldners nach §§ 370, 373 oder 374 AO gilt die Besonderheit, dass die Gläubiger nicht nur den Grund und Betrag ihrer Forderung anzugeben haben, sondern auch die Tatsachen, aus denen sich nach ihrer Einschätzung ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners (als natürliche Person) zugrunde liegt (§ 174 Abs. 2 InsO). Nur auf diese Weise kann der Gläubiger erreichen, dass derartige Forderungen von der Restschuldbefreiung nicht erfasst werden (§ 302 Nr. 1 InsO). Die entsprechenden Angaben kann er nachtragen. Der Insolvenzverwalter ist in diesem Fall verpflichtet, auch für eine bereits zur Tabelle festgestellte Forderung nachträglich angemeldete Tatsachen, aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners zugrunde liegt, in die Tabelle einzutragen (BGH, Urt. v. 17.1.2008 – IX ZR 220/06, ZIP 2008, 566 Rn 13). Unterlässt der Gläubiger die Angaben, wird die Forderung von der Restschuldbefreiung erfasst.
1. Anforderungen an den Sachvortrag
Der Gläubiger hat im Einzelnen einen Lebenssachverhalt darzulegen, aus dem sich nach seiner Einschätzung rechtlich herleiten lässt, dass der Schuldner den Tatbestand einer vorsätzlich unerlaubten Handlung verwirklicht hat (Graf-Schlicker, in: Graf-Schlicker, a.a.O., § 174 Rn 17), und der Schuldner erkennen kann, welches Verhalten ihm vorgeworfen wird. Denn mit dem Grund der Forderung ist der Klagegrund und damit der Sachverhalt gemeint, aus dem die Forderung entspringt. Da die Anmeldung eine Form der Rechtsverfolgung darstellt und der Gläubiger aus der Eintragung als Titel die Zwangsvollstreckung betreiben kann (§ 178 Abs. 3 InsO), muss die Forderung zur Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft eindeutig konkretisiert werden (BGH, Urt. v. 27.9.2001 – IX ZR 71/00, NZI 2002, 37).
Die Individualisierung der Forderung dient daneben dem Zweck, den Verwalter und die übrigen Insolvenzgläubiger in den Stand zu versetzen, den geltend gemachten Schuldgrund einer Prüfung zu unterziehen (BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, NZI 2009, 242). Allein die Angabe von Normen (wie z.B. § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB) reicht nicht aus. Dagegen bedarf es nicht der schlüssigen Darlegung des (objektiven und subjektiven) Deliktstatbestandes (BGH, Urt. v. 1.12.2014 – IX ZR 103/13, ZInsO 2014, 236 ff.).
Stützt der Gläubiger seine Forderung auf eine vorsätzlich begangene pflichtwidrige Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht, hat er die eigene Bedürftigkeit vorzutragen sowie, dass der Schuldner nicht gezahlt hat, obwohl er hierzu in der Lage war (Laroche, in: Vallender/Undritz, a.a.O., § 2 Rn 101).
2. Hinweispflicht des Gerichts, § 175 Abs. 2 InsO
Das Insolvenzgericht ist verpflichtet, im Falle der Anmeldung einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, aus vorsätzlich begangener pflichtwidriger Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht oder einer Steuerstraftat des Schuldners nach §§ 370, 373 oder 374 AO den Schuldner als natürliche Person auf die Rechtsfolgen des § 302 InsO und die Möglichkeit des Widerspruchs hinzuweisen.
Eine nicht ordnungsgemäße Belehrung des Schuldners hat zur Folge, dass der Feststellung des Haftungsgrunds keine Wirkung zukommt (Sinz, in: Uhlenbruck, § 175 Rn 29). Der Schuldner kann mit Erfolg einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellen (§ 186 Abs. 1 S. 1 InsO). Sieht er hiervon ab, hat das Insolvenzgericht die ordnungsgemäße Belehrung von Amts wegen nachzuholen und einen neuen Prüfungstermin zu bestimmen, um dem Schuldner Gelegenheit zu geben, ggf. Widerspruch zu erheben.
3. Widerspruch des Schuldners
Auf entsprechenden Antrag ist dem Schuldner ein Rechtsanwalt beizuordnen (§ 4 Abs. 2 InsO), wenn er im Rahmen seiner Möglichkeiten dartut, dass er nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen im konkreten Fall nicht in der Lage ist, ohne anwaltliche Hilfe eine Entscheidung über die Zweckmäßigkeit der Erhebung des Widerspruchs zu treffen (BGH, Beschl. v. 18.9.2003 – IX ZB 44/03, NZI 2004, 39).
a) Widerspruch gegen die Forderung insgesamt
Erhebt der Schuldner im Prüfungstermin Widerspruch gegen die angemeldete Forderung insgesamt, steht dies zwar der Feststellung der Forderung und einer Verteilung nicht entgegen (§ 178 Abs. 1 S. 2 InsO). Allerdings kann der Schuldner auf diese Weise erreichen, dass dem Gläubiger keine vollstreckbare Ausfertigung aus der Tabelle erteilt wird (§§ 178 Abs. 1 S. 2, 201 Abs. 2 S. 1 InsO). Nur wenn der Gläubiger innerhalb der Ausschlussfrist des § 189 Abs. 1 InsO Feststellungsklage gegen den Schuldner erhebt (§ 184 Abs. 1 S. 1 InsO), läuft er nicht Gefahr, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht die Vollstreckung gegen den Schuldner aus dem Tabellenauszug betreiben zu können. Widerspricht der Schuldner dem Vorbringen des Gläubigers nicht, wirkt der Eintrag in die Tabelle, die Forderung stamme aus einer unerlaubten Handlung, nach § 178 Abs. 3 InsO wie ...