1. Voraussetzungen
Die Zustellung von Entscheidungen ordnet der Vorsitzende an, § 36 Abs. 1 S. 1 StPO. Fehlt diese Anordnung, ist die Zustellung bereits deshalb unwirksam (Meyer-Goßner/Schmitt, § 36 Rn 7). Die Ausführung der Zustellung obliegt nach § 36 Abs. 1 S. 2 StPO dagegen der Geschäftsstelle.
2. Besonderheiten
a) Strafbefehlsverfahren
Ist der Zustellungsempfänger der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig, stellt sich die Frage, ob dem zuzustellenden Schriftstück eine Übersetzung beizufügen ist. Für Urteile ergibt sich dies zweifelsfrei aus § 37 Abs. 3 StPO, der jedoch für andere Schriftstücke als Urteile keine Regelung enthält.
Es war deshalb in der deutschen Rechtsprechung umstritten, ob im Strafbefehlsverfahren auch eine Übersetzung des Strafbefehls zugestellt werden muss. Während das LG Stuttgart (NStZ-RR 2014, 2016) dies zur Sicherung eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens und der Wahrung effektiver Verteidigungsmöglichkeiten für zwingend hielt, hat das Landgericht Ravensburg (NStZ-RR 2015, 219) die Erforderlichkeit einer Übersetzung verneint.
Mit Urteil vom 12.10.2017 (NZV 2017, 530) hat nunmehr der EuGH in die Diskussion eingegriffen und klargestellt, dass Angeklagte eine schriftliche Übersetzung des Strafbefehls erhalten müssen, um zu gewährleisten, dass sie imstande sind, ihre Verteidigungsrechte wahrzunehmen. Dies ist im Hinblick darauf, dass der Angeklagte im Strafbefehlsverfahren selbst aktiv werden muss, um den ersten Zugang zu Gericht (vgl. BVerfG NJW 1975, 1405) zu erhalten, zutreffend. Zudem spricht auch § 410 Abs. 3 StPO, der den rechtskräftigen Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil gleichstellt, für eine Gleichbehandlung von Urteil und Strafbefehl. Wenngleich sich der EuGH nicht explizit zur Frage der Wirksamkeit einer Zustellung des Strafbefehls ohne Übersetzung geäußert hat, wird man fortan davon ausgehen müssen, dass ein nicht übersetzter Strafbefehl nicht wirksam zugestellt werden kann (so auch Sandherr NZV 2017, 531).
b) Strafvollstreckungsverfahren
Bei Entscheidungen im Strafvollstreckungsverfahren, etwa bei einem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung ober bei Entscheidungen nach § 57 StGB, sollen schriftliche Übersetzungen dagegen nicht geboten sein (OLG Köln NStZ 2014, 229; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.4.2017 – 1 Ws 118/17).
Hinweis:
Ob diese Rechtsauffassung im Hinblick auf den Fairnessgrundsatz einer Überprüfung durch das BVerfG oder auf europäischer Ebene auf Dauer standhalten wird, erscheint allerdings fraglich. Insoweit bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.