Bislang enthielt das Gesetz lediglich eine Regelung über die Entbindung des Pflichtverteidigers für den Fall, dass demnächst ein anderer Verteidiger gewählt wird und dieser die Wahl annimmt (§ 143 StPO a.F.). Damit waren wesentliche Probleme wie das "Hinausdrängen" des Pflichtverteidigers (hierzu Hillenbrand ZAP F. 22, 851, 859) ungeregelt. Diesen Zustand hat der Gesetzgeber nunmehr bereinigt und den Verteidigerwechsel relativ umfassend normiert.
Hinweis:
Nicht gesondert geregelt wurde allerdings die einvernehmliche "Umbeiordnung". Eine solche hat die Rechtsprechung bislang zugelassen, wenn der Beschuldigte und der bisherige sowie der neue Pflichtverteidiger mit dem Verteidigerwechsel einverstanden waren und hiermit weder eine Verzögerung des Verfahrens noch Mehrkosten für die Staatskasse verbunden sind. Diese Möglichkeit besteht unverändert fort (vgl. BT-Drucks 19/13829, S. 47).
a) Mandatierung eines Wahlverteidigers
§ 143a Abs. 1 S. 1 StPO n.F. schreibt vor, dass die Bestellung des Pflichtverteidigers aufzuheben ist, wenn der Beschuldigte einen anderen Verteidiger gewählt und dieser die Wahl angenommen hat. Dies bedeutet eine Abweichung vom bisherigen Recht dahingehend, dass es nicht mehr genügt, dass ein anderer Verteidiger "demnächst" gewählt wird. Die Pflichtverteidigerbestellung wird vielmehr erst dann aufgehoben, wenn das Mandat tatsächlich zustande gekommen ist (BT-Drucks 19/13829, S. 46).
b) Kein "Hinausdrängen" des Pflichtverteidigers
In Satz 2 hat der Gesetzgeber zudem, die bisherige Rechtsprechung aufgreifend, festgelegt, dass die Aufhebung zu unterbleiben hat, wenn zu besorgen ist, dass der neue Verteidiger das Mandat demnächst niederlegen und seine eigene Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragen wird.
Hinweis:
Damit steht nunmehr nicht nur ein richterrechtliches, sondern auch ein gesetzliches Instrument gegen Versuche zur Verfügung, einen Pflichtverteidiger aus dem Mandat zu drängen, indem der neue Verteidiger sich zunächst als Wahlverteidiger legitimiert und alsbald nach der begehrten Entpflichtung des bisherigen Verteidigers seine eigene Beiordnung beantragt. Auch Verfahrensverzögerungen, die aufgrund der notwendigen Einarbeitung des neuen Verteidigers und etwaiger Terminkollisionen zu befürchten wären, lassen sich durch eine konsequente Anwendung dieser Vorschrift vermeiden.
c) Sicherungsverteidiger
Darüber hinaus kann die Beiordnung auch aufrechterhalten bleiben, wenn der Pflichtverteidiger neben dem neu hinzugekommenen Wahlverteidiger noch als Sicherungsverteidiger benötigt wird (vgl. § 144 StPO n.F., s. unter III 6).
d) Wechsel des Pflichtverteidigers
Art. 7 Abs. 4 der PKH Richtlinie schrieb den Mitgliedstaaten vor, sicherzustellen, dass der Beschuldigte das Recht hat, seinen Rechtsbeistand auswechseln zu lassen, sofern es die konkreten Umstände rechtfertigen. Diese Vorgabe wird durch § 143a Abs. 2 StPO n.F. umgesetzt.
aa) Zu kurze Benennungsfrist
Nach dessen Nr. 1 kann der Beschuldigte innerhalb von drei Wochen nach Bekanntmachung der Entscheidung über die Bestellung beantragen, ihm einen anderen, von ihm bezeichneten Verteidiger zu bestellen, wenn zuvor ein nicht von ihm benannter Verteidiger beigeordnet wurde (etwa weil der Wunschverteidiger aufgrund einer Terminkollision bei einer Vorführung nicht zur Verfügung stand) oder ihm nur eine kurze Frist zur Benennung eines Verteidigers gewährt werden konnte.
Hinweis:
Der neue Verteidiger wird jedoch nur beigeordnet, wenn kein wichtiger Grund entgegensteht. Insoweit gelten die Ausführungen zu § 142 Abs. 5 StPO n.F. entsprechend.
Diese Neuregelung stellt für den Beschuldigten (trotz des Antragserfordernisses) durchaus einen Fortschritt dar. So dürfte es fortan leichter werden, einen vom Gericht ausgewählten Verteidiger auszuwechseln. Wenngleich der Gesetzgeber nicht geregelt hat, wann die Benennungsfrist "kurz" ist, dürften damit zumindest die Fälle erfasst sein, in denen quasi direkt nach der Festnahme ein vom Gericht ausgesuchter oder "vorgeschlagener" Verteidiger bestellt wird, hat doch der – nicht selten mit der Situation überforderte – Beschuldigte in dieser Situation kaum eine Möglichkeit, sein Benennungsrecht effektiv auszuüben.
bb) Unzumutbarkeit für den Verteidiger
Nr. 2 hingegen dient nicht primär dem Interesse des Beschuldigten, sondern schützt den Verteidiger, der für eine Vorführung vor dem Richter des nächsten Amtsgerichts gem. § 115a StPO beigeordnet wird, vor Pflichtmandaten, die er, insb. aufgrund unzumutbarer Entfernung zum künftigen Aufenthaltsort des Beschuldigten, nicht führen kann. In diesem Fall kann er nunmehr seine Entpflichtung beantragen. Der Antrag ist unverzüglich nach Beendigung der Vorführung zu stellen.
cc) Zerrüttetes Vertrauensverhältnis
Nr. 3 regelt schließlich Fälle, in denen das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Verteidiger endgültig zerstört ist oder aus einem anderen Grund eine angemessene Verteidigung des Beschuldigten nicht gewährleistet ist.
Im Falle eines zerrütteten Vertrauensverhältnisses haben die Gerichte bereits bislang die Möglichkeit eines Verteidigerwechsels anerkannt. Die hierfür zu erfüllenden materiellen Voraussetzungen sowie die Darlegungsanforderungen bleiben unverändert. Es genügt also weiterhin nicht, wenn eine Zerstö...