Nach § 141 Abs. 1 S. 1 StPO n.F. erfolgt die Bestellung eines Pflichtverteidigers, wenn der Beschuldigte sie
- nach Belehrung ausdrücklich beantragt,
- ihm der Tatvorwurf eröffnet worden ist und
- er noch keinen Verteidiger hat.
Über den Antrag des Beschuldigten ist spätestens vor seiner Vernehmung oder einer Gegenüberstellung mit ihm zu entscheiden (§ 141 Abs. 1 S. 2 StPO n.F.), sofern nicht ein Ausnahmefall gem. § 141a StPO n.F. (s. unter III 2) gegeben ist.
Ist der Antrag begründet, so ist die Bestellung unverzüglich, d.h. so rechtzeitig, dass die Verteidigungsrechte gewahrt werden, und jedenfalls vor einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung vorzunehmen.
aa) Möglichkeit einer Beiordnung von Amts wegen
Das Antragserfordernis ist im Gesetzgebungsverfahren auf teils harsche Kritik gestoßen, da es die Hinzuziehung eines Pflichtverteidigers erschwere. Dies ist, auch wenn der Beschuldigte über sein Antragsrecht gem. § 58 Abs. 2 StPO n.F. zu belehren und dies gem. § 168b StPO n.F. zu dokumentieren ist, nicht gänzlich von der Hand zu weisen.
Allerdings steht das Fehlen eines Antrags einer Verteidigerbestellung nicht automatisch entgegen (es sei denn, das Gesetz setzt ausnahmsweise zwingend einen Antrag voraus, s. §§ 140 Abs. 1 Nr. 11, 141 Abs. 2 S. 2 StPO n.F.). So enthält § 141 Abs. 2 StPO n.F. vier Konstellationen, in denen unabhängig von einem Antrag des Beschuldigten eine Beiordnung zu erfolgen hat (s. unter III 1 b). Darüber hinaus kann ausnahmsweise auch die Staatsanwaltschaft (StA) im Rahmen ihrer neu geschaffenen Eilzuständigkeit nach § 142 Abs. 4 StPO n.F. von Amts wegen eine Bestellung vornehmen.
Auch die Gesetzesbegründung geht nicht davon aus, dass das Fehlen eines Antrags die Beiordnung eines Verteidigers zwingend ausschließt. Zwar soll das Unterbleiben eines Antrags bei der Prüfung, wann im Vorverfahren im Rechtspflegeinteresse eine Verteidigerbestellung erforderlich ist, "vorrangig zu berücksichtigen" sein. Es könne aber insb. die Schutzbedürftigkeit des Beschuldigten auch ohne Antrag eine Verteidigerbeiordnung gebieten (BT-Drucks 19/13829, S. 3). Zudem sei in den Fällen der notwendigen Verteidigung (§ 140 StPO n.F.) spätestens mit Anklageerhebung ein Verteidiger zu bestellen.
Hinweis:
Wie die "vorrangige Berücksichtigung" konkret erfolgen soll, bleibt indes in Ermangelung brauchbarer Hinweise in der Gesetzesbegründung offen. Jedoch wird man festhalten müssen, dass die Beiordnungsvoraussetzungen des § 140 StPO n.F. nicht unterlaufen werden dürfen. So entfällt z.B. die Verteidigungsunfähigkeit des Beschuldigten nicht etwa deshalb, weil er keinen Beiordnungsantrag stellt.
bb) Beiordnung erst nach Eröffnung des Tatvorwurfs
Das Antragsrecht entsteht erst, wenn dem Beschuldigten der Tatvorwurf eröffnet wird. Vorher gestellte Beiordnungsanträge sind unzulässig (BT-Drucks 19/13829, S. 36).
Hinweis:
Das durch § 137 Abs. 1 S. 1 StPO gewährte Recht des Beschuldigten, sich in jeder Phase des Verfahrens des Beistands eines Verteidigers zu bedienen, bleibt hiervon aber unberührt.
cc) Vorrang der Wahlverteidigung
Weiter setzt die Beiordnung voraus, dass der Beschuldigte noch keinen Verteidiger hat oder der gewählte Verteidiger bereits mit dem Beiordnungsantrag ankündigt, im Falle der Bestellung das Wahlmandat niederzulegen. Hiermit soll der Vorrang der Wahlverteidigung aufrechterhalten werden (BT-Drucks 19/13829, a.a.O.).