Aus dem Umstand, dass zivilrechtlich die Personenhandelsgesellschaft Trägerin des gesamthänderischen Vermögens ist, müsste in der Konsequenz ertragsteuerrechtlich folgen, dass die Gesellschaft selbst den Tatbestand der Einkünfteerzielung verwirklicht und den Gesellschaftern über die dann als Zurechnungsnorm zu qualifizierende Vorschrift des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG die Gewinneinkünfte anteilig zugerechnet werden (überzeugend Hüttemann, DStJG Bd. 34, S. 291, 294 ff., m.w.N.). Der BFH (v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl II 1995, S. 617; zustimmend z.B. Pinkernell, Einkünfteerzielung bei PersGes., 2001, passim; Reiß in Kirchhof, EStG, 18. Aufl. 2019, § 15 Rn 162 ff.) beharrt selbst nach Aufgabe der sog. Bilanzbündeltheorie (seit dem BFH-Beschl. v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl II 1984, S. 751, wird die Personenhandelsgesellschaft in Übereinstimmung mit dem Handelsrecht als Subjekt der Gewinnerzielung, Gewinnermittlung und Einkünftequalifikation anerkannt) demgegenüber auf dem Standpunkt, dass die Träger des Gewerbebetriebs die Gesellschafter selbst seien und der Steuerbilanzgewinn bzw. -verlust den Gesellschaftern unmittelbar als originäre eigene Einkünfte zugerechnet werde.
Das Steuerrecht löst sich vom Zivilrecht dabei in mehrfacher Hinsicht. Im Ausgangspunkt ist es bereits unerheblich, ob handelsbilanzrechtlich überhaupt ein Gewinn entsteht. Denn das Einkommensteuerrecht knüpft an den steuerlichen Gewinn an, der zwar bei Personenhandelsgesellschaften entsprechend dem Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 EStG aus dem Handelsbilanzergebnis entwickelt wird, aber wegen der Vielzahl abweichender steuerrechtlicher Ansatz-, Bewertungs- und Folgebewertungsvorschriften sowie nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben nicht mit dem steuerbilanziellen Ergebnis übereinstimmt (Überblick zur Durchbrechung der Maßgeblichkeit bei Scheffler, Der Konzern 2016, S. 482). Deshalb ist es auch möglich, dass einkommensteuerrechtlich den Gesellschaftern ein Gewinn zugerechnet wird, obwohl handelsrechtlich für das Wirtschaftsjahr kein Gewinn entstanden ist. Hier zeigen sich die gesellschaftsrechtlichen Brüche, die durch die Loslösung der steuerlichen Gewinnermittlung von der Handelsbilanz verursacht werden. Wenn es für den Besteuerungszweck schon unerheblich ist, ob Gewinnansprüche handelsrechtlich entstanden sind, dann spielt es erst recht keine Rolle, zu welchem Zeitpunkt der handelsrechtliche Entnahmeanspruch gesellschaftsrechtlich entsteht oder dem einzelnen Gesellschafter der handelsrechtliche Gewinnanteil i.S.d. § 11 EStG zufließt.
Im Ergebnis ging es aus Sicht des Ertragsteuerrechts schon immer darum sicherzustellen, dass nicht ein Teil des Gesellschaftseinkommens mangels Steuersubjektivität der Gesellschaft (zumindest vorläufig) unversteuert bleibt (RFH v. 25.4.1933, RStBl. 1933, S. 955; dazu Becker, StuW 1933, Sp. 1138 ff., 1158 ff.). Dogmatisch hat man sich deshalb nicht an der aktuellen "Ist"-Leistungsfähigkeit des Gesellschafters als Steuerschuldner orientiert, sondern früher nach dem Grundgedanken der sog. Bilanzbündeltheorie die zivilrechtliche Existenz der Personengesellschaft vollends negiert. Auch wenn die Bilanzbündeltheorie inzwischen überholt ist, hat sich an dem fiskalischen Ziel, die sofortige und vollständige Besteuerung des Gesellschaftseinkommens bei den Gesellschaftern sicherzustellen, nichts geändert. Zur Begründung verweist man einerseits auf die sog. Gleichstellungsthese (BFH, Urt. v. 24.8.2000 – IV R 51/98, BStBl II 2005, S. 173 = DB 2000 S. 2147; Schmidt/Wacker, EStG, 38. Aufl. 2019, § 15 Rn 161, m.w.N.), wonach das Gesetz die Gleichstellung des Mitunternehmers mit dem Einzelunternehmer verlange, andererseits darauf, dass die Gesellschafter selbst den Einkünftetatbestand i.S.d. § 2 Abs. 1 EStG verwirklichen.