Wie zuvor schon die Bundesrechtsanwaltskammer (vgl. dazu Anwaltsmagazin ZAP 21/2020, S. 1093) hat auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) eine Umfrage unter seinen Mitgliedern zur Auswirkung der Corona-Pandemie durchgeführt. Sie konzentrierte sich allerdings auf familienrechtlich orientierte Kanzleien und bezog sich auf den Zeitraum von Mitte März bis Ende Mai 2020. Der DAV stellte die Ergebnisse dieser repräsentativen Umfrage Ende Dezember vor.
Danach berichtete knapp die Hälfte der befragten Kolleginnen und Kollegen, dass das Mandatsaufkommen im Vergleich z.Zt. vor der Pandemie weitgehend gleichgeblieben sei. Bei den Anwältinnen und Anwälten, die eine Zunahme der Mandate verzeichneten, bezogen dies knapp 70 % auf Kindschaftssachen, also Sorgerechts- und Umgangsverfahren, rund 24 % auf Gewaltschutzverfahren und 35 % auf Unterhaltsverfahren. Nach Auffassung des DAV räumt die Umfrage somit mit dem Gerücht auf, dass während der Corona-Krise die Zahl der Scheidungsberatungen zugenommen habe. Die Antworten deuteten diesbezüglich vielmehr auf Stagnation oder gar Rückgang. Rechtsanwältin Eva Becker, Vorsitzende des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im DAV, mutmaßt dahinter auch wirtschaftliche Gründe: So würden getrennte Paare vielleicht eher als WG weitermachen, bevor sie in dieser unsicheren Situation zum Anwalt gingen.
Mehr als 80 % der Familienrechtlerinnen und -rechtler verzeichneten der Umfrage zufolge mehr oder weniger starke Einschränkungen in der Mandatsbearbeitung. Neben Besprechungsabsagen oder dem Ausfall von Mitarbeitern habe dies auch an der Betreuung der eigenen Kinder gelegen. Gerade in den ersten Wochen der Krise sei die Anwaltschaft nur in wenigen Bundesländern als systemrelevant anerkannt worden und somit sei der Zugang zur Notbetreuung der Kinder verwehrt gewesen.
Mehr als 97 % der Anwältinnen und Anwälte berichteten, dass die Amtsgerichte weniger Familiensachen terminierten: Mehr als die Hälfte der Befragten sprach von einem kompletten Prozess-Stillstand von Mitte März bis Ende Mai. Die ausgefallenen Termine seien in der Zwischenzeit jedoch fast vollständig nachgeholt worden.
Die Kommunikation mit den Mandanten habe während der ersten Pandemiewelle v.a. telefonisch (65 %) oder in persönlichen Besprechungen (22 %) stattgefunden. Auf elektronischem Weg sprachen nur rund 12 % mit ihrer Mandantschaft. "Im Familienrecht geht um hochemotionale Fragestellungen – viele Mandanten dürften sich wohler fühlen, wenn sie persönlich oder am Telefon darüber sprechen als an einem Bildschirm", so Rechtsanwältin Becker. Anders als Unternehmen verfügten auch nicht alle Privatpersonen über die technische Ausstattung für eine Videokonferenz. "Die technischen Voraussetzungen dafür hat die überwiegende Zahl der Kanzleien aber geschaffen – und das schon in der ersten Welle", fügt die Vorsitzende hinzu. Der Umfrage nach meinen 97 % der Anwältinnen und Anwälte, dass ihre Kanzlei für den elektronischen Datenaustausch ausreichend ausgestattet sei.
Für die Gerichte und Jugendämter habe sich, so der DAV, dies aber nicht sagen lassen: Soweit familiengerichtliche Verfahren in der ersten Welle stattfanden, sei dies in nicht einmal einem Prozent der Fälle als Video- oder Telefonkonferenz geschehen. "Bei den Gerichtsverfahren per Videokonferenz bescheinigt die Umfrage den Gerichten durchaus noch Nachholbedarf", bestätigt Rechtsanwältin Becker. Sie gibt aber zu bedenken, dass sich die Antworten auf das Frühjahr bezogen. Vielfach sei nachjustiert wurden. Die Pandemie habe auch die Digitalisierung in der Justiz "nach vorne katapultiert". Sowohl die Digitalisierung der Verfahren als auch die Erreichbarkeit dürften sich künftig verbessern.
Die elektronische Erreichbarkeit der Gerichte bewertete nur jeder dritte Befragte als gut. Mehr als 40 % hielt sie für weniger gut. Die Jugendämter und Beratungsstellen schneiden noch schlechter ab: 63 % der befragten Anwältinnen und Anwälte bewertete sie als weniger gut.
[Quelle: DAV]