I. Vorbemerkung
Nachdem das RVG mit Wirkung zum 1.7.2004 durch das (1.) Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (KostRMoG) vom 5.5.2004 (BGBl I, S. 718) in Kraft getreten ist, sind die Anwalts- und Gerichtsgebühren erst durch das 2. KostRMoG vom 29.7.2013 (BGBl, I S. 2586) mit Wirkung zum 1.8.2013 angehoben worden. Seitdem sind wieder gut sieben Jahre verstrichen. Zur Vorbereitung einer Reform des RVG haben der Deutsche Anwaltverein (DAV) und die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) im März 2018 in einem gemeinsamen Katalog Vorschläge zur regelmäßigen Anpassung, strukturellen Änderung und Ergänzung sowie zu Klarstellungen des RVG veröffentlicht (s. Hansens RVGreport 2018, 202 ff.). In diesem Forderungskatalog haben der DAV und die BRAK u.a. eine regelmäßige Anpassung der Rechtsanwaltsgebühren in kürzeren Zeiträumen als bisher vorgeschlagen. Dabei gingen die Vorstellungen des DAV und der BRAK allein für den Zeitraum vom 1.8.2013 bis zum 1.8.2018 dahin, die Anwaltsgebühren insgesamt um ein Volumen von 13 % anzupassen, was sich mit der Entwicklung der Tariflöhne für diesen Zeitraum deckt. Am 31.7.2020 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts (Kostenrechtsänderungsgesetz – KostRÄG 2021) vorgelegt. Dieser Entwurf sieht Änderungen u.a. beim GKG, FamGKG, GVKostG, GNotKG, JvKostG, JVEG und- in Art. 7 des Entwurfs- des RVG vor. Die Bundesregierung hat am 16.9.2020 diesen vorgelegten Entwurf mit geringfügigen Änderungen am 16.9.2020 beschlossen. Der Bundesrat hat am 6.11.2020 (BR-Drucks 565/20) zu dem Regierungsentwurf Stellung genommen, wobei der Bundesrat bei Art. 7 des Entwurfs, also beim RVG, keinen Änderungsbedarf gesehen hat. In seiner 196. Sitzung hat der Bundesrat am 27.11.2020 den Gesetzentwurf angenommen (BR-Drucks 721/20). Das KostRÄG 2021 ist am 30.12.2020 im Bundesgesetzblatt (BGBl I, S. 3229) veröffentlicht worden und ist – mit Ausnahme der neuen Übergangsregelung des § 60 RVG, die bereits am 31.12.2022 in Kraft getreten ist – am 1.1.2021 in Kraft getreten.
Das KostRÄG 2021 verwirklicht praktisch keinen der vielen Vorschläge des DAV und der BRAK in deren gemeinsamen Katalog von März 2018. Lediglich die in dem gemeinsamen Katalog unter 2.5.1 vorgeschlagene Sonderanpassung der Vergütungen des Rechtsanwalts im Sozialrecht sind dem Grunde nach verwirklicht worden.
Nachfolgend soll über die im KostRÄG 2021 vorgesehenen Änderungen, soweit sie Einfluss auf die Anwaltsvergütung haben, berichtet werden. Meine Hinweise zu den Änderungen bei der Vergütung des in Straf- und Bußgeldverfahren tätigen Rechtsanwalts werden hier etwas knapper gehalten, da hierüber in Kürze Burhoff in einem gesonderten Beitrag in der ZAP 3/2021 berichten wird. Das Übergangsrecht hat gerade N. Schneider in ZAP 1/2021, F. 24 S. 1782 ff. ausführlich erörtert.
II. Anhebung der Anwaltsgebühren
1. Lineare Anhebung aller Gebühren
Der Gesetzentwurf sieht vor, alle Gebührentypen des RVG, also Wert-, Fest- und Betragsrahmengebühren, linear um 10 % zu erhöhen. Ausgenommen hiervon ist lediglich die Beratungshilfegebühr nach Nr. 2500 VV RVG. Bei den Wertgebühren beträgt die Erhöhung in der untersten Wertstufe bis 500 EUR zwar nur etwa 9 %. Dafür liegt die geplante Anhebung der Gebühren in den anderen Wertstufen im Bereich von 10 % oder sogar etwas darüber. Damit liegt die lineare Anhebung der Anwaltsgebühren erheblich unter dem von DAV und der BRAK in ihrem gemeinsamen Forderungskatalog für den Zeitraum vom 1.8.2013 bis zum 1.8.2018 erwähnten Anpassungsbedarf von 13 %.
2. Anhebung der Gebühren in sozialrechtlichen Angelegenheiten
In sozialrechtlichen Angelegenheiten werden die Anwaltsgebühren um zusätzliche 10 % neben der linearen Anhebung aller Gebühren angehoben. Damit wird allerdings lediglich der im RVG 2004 enthaltene Mangel teilweise behoben, wonach das Gebührenniveau in sozialrechtlichen Angelegenheiten schon mit Einführung des RVG zu niedrig und vielfach nicht kostendeckend war.
Beispiel 1:
Der Rechtsanwalt reicht in einem Verfahren, in dem Betragsrahmengebühren anfallen, für den Mandanten beim Sozialgericht Klage ein, nimmt einen Verhandlungstermin wahr und schließt für den Mandanten einen Einigungsvertrag.
1. Anwaltsgebühren nach geltendem Recht
a) Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG (50 EUR bis 550 EUR) Mittelgebühr |
300,00 EUR |
b) Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG (50 EUR bis 510 EUR) Mittelgebühr |
280,00 EUR |
c) Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV RVG (in Höhe der Verfahrensgebühr) |
+ 300,00 EUR |
Summe: |
880,00 EUR |
2. Gebühren nach dem KostRÄG 2021
Die Gebühren berechnen sich wie folgt:
a) Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG (60 EUR bis 660 EUR) Mittelgebühr |
360,00 EUR |
b) Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG (60 EUR bis 610 EUR) Mittelgebühr |
335,00 EUR |
c) Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV RVG (in Höhe der Verfahrensgebühr) |
+ 360,00 EUR |
Summe: |
1.055,00 EUR |
Die Gebühren erhöhen sich somit um rund 20 %.
III. Gebührenanrechnungen
1. Anrechnung bei Betragsrahmengebühren
Wird der Rechtsanwalt nacheinander in gesonderten Angelegenheiten tätig, sieht das RVG in vielen Fällen eine Anrechnung der Geschäfts- oder der Verfahrensgebühr auf die entsprechende Gebühr in der nachfolg...