1. Keine Erklärung zur Vorsteuerabzugsberechtigung
Das Verfahren auf Festsetzung des dem beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalt und des Beratungshilfe gewährenden Anwalts gegen die Staatskasse ist in § 55 RVG geregelt. § 55 Abs. 5 S. 1 RVG ordnet die entsprechende Anwendung des § 104 Abs. 2 ZPO betreffend das Kostenfestsetzungsverfahren zwischen den Parteien an. Formal gesehen wird damit auch die Regelung in § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO für entsprechend anwendbar erklärt, wonach zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen die Erklärung des Antragstellers genügt, dass er diese Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann.
Hieraus hat ein Teil der Rechtsprechung (OLG Celle RVGreport 2014, 20 [Hansens] = AGS 2014, 80) gefolgert, der beigeordnete Anwalt müsse auch bei seinem gegen die Staatskasse gerichteten Festsetzungsantrag eine entsprechende Erklärung zur Vorsteuerabzugsberechtigung abgeben. Dies ist natürlich Unsinn, da der beigeordnete Rechtsanwalt lediglich seine Vergütung aus der Staatskasse begehrt, zu der nach Nr. 7008 VV RVG auch die Umsatzsteuer gehört und es dabei nicht um einen Kostenerstattungsanspruch seiner Partei gegen die Gegenseite geht, für den die Vorsteuerabzugsberechtigung der erstattungsberechtigten Partei von Bedeutung sein kann. Deshalb hat die ganz herrschende Meinung in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, einer Erklärung des beigeordneten Rechtsanwalts zur Vorsteuerabzugsberechtigung bedürfe es im Verfahren auf Festsetzung der Vergütung gegen die Staatskasse nicht (s. OLG Hamburg RVGreport 2031, 348 [Hansens] = AGS 2013, 428; OLG München RVGreport 2016, 456 [Ders.] = AGS 2016, 528; OLG Braunschweig RVGreport 2017, 411 [Ders.] = AGS 2017, 525; OLG Frankfurt RVGreport 2018, 177 [Ders.] = AGS 2018, 146).
Um diese Streitfrage i.S.d. herrschenden Auffassung zu klären, sieht das KostRÄG in § 55 Abs. 5 S. 1 RVG lediglich die Verweisung auf § 104 Abs. 2 S. 1 und 2 ZPO vor. Damit wird klargestellt, dass es im Verfahren auf Festsetzung der dem Anwalt aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung keiner Erklärung zur Vorsteuerabzugsberechtigung bedarf. Dies gilt auch (weiterhin) dann, wenn der Mandant des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (OLG München, OLG Braunschweig und OLG Frankfurt a.a.O.).
2. Anrechnung auf PKH-/VKH-Anwaltsvergütung
Sieht das RVG die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vor, kann der Anwalt gem. § 15a Abs. 1 RVG beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren. Dies gilt insb. für die (teilweise) Anrechnung der für die vorgerichtliche Vertretung angefallenen Geschäftsgebühr auf die im nachfolgenden Rechtsstreit entstandene Verfahrensgebühr (Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG). Im Verfahren auf Festsetzung der dem beigeordneten oder bestellten Anwalt aus der Staatskasse zustehenden Vergütung ist umstritten, ob die Anrechnung einer auf eine vorgerichtliche Geschäftsgebühr erfolgten Zahlung sich auf die von der Staatskasse zu zahlende Verfahrensgebühr auswirkt.
- Nach einer Auffassung wird die Zahlung in Anwendung des § 58 Abs. 2 RVG auf die Geschäftsgebühr angerechnet, sodass der beigeordnete Rechtsanwalt im Regelfall die Verfahrensgebühr aus der Staatskasse unvermindert erhält (s. OLG Hamm RVGreport 2016, 342 [Hansens] = AGS 2016, 530; s. auch OLG München RVGreport 2010, 62 [Ders.] = AGS 2010, 63).
- Nach der Gegenauffassung ist die gezahlte Geschäftsgebühr anteilig auf die dem beigeordneten RA aus der Staatskasse zustehenden Verfahrensgebühr anzurechnen (s. etwa OLG Bamberg AGS 2018, 472; Nds. OVG NJW 2013, 1618).
Die letztgenannte Auffassung benachteiligt den beigeordneten Rechtsanwalt in zweifacher Weise. Zunächst wird die gezahlte Geschäftsgebühr, die sich ja nach der Wahlanwaltsgebührentabelle des § 13 RVG berechnet, auf die dem Anwalt aus der Staatskasse nur nach der PKH-Anwaltsgebührentabelle des § 49 RVG zustehende Verfahrensgebühr angerechnet. Dies kann trotz der in Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG geregelten nur teilweisen Anrechnung der Geschäftsgebühr dazu führen, dass von dem Anspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse auf Zahlung der Verfahrensgebühr nichts mehr übrigbleibt. Zum anderen benachteiligt diese Anrechnungsregelung den beigeordneten Anwalt insoweit, als die Zahlung des Mandanten auf die Geschäftsgebühr direkt zu einer Kürzung des Anspruchs gegen die Staatskasse führt, wohingegen eine Zahlung des Mandanten beispielsweise auf die Verfahrensgebühr nach § 58 Abs. 2 RVG zunächst nur auf die Differenz zwischen der Wahl- und der Prozesskostenhilfeanwaltsvergütung zu verrechnen ist.
Diese Nachteile für den beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalt sollen durch die im KostRÄG 2021 vorgesehene Einfügung des § 58 Abs. 2 S. 2 RVG beseitigt werden. Danach soll eine Anrechnung einer auf eine vorgerichtliche Geschäftsgebühr erfolgten Zahlung nur dann in Betracht kommen, wenn die Zahlung dazu führt, dass die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und dem dem Rechtsanwalt insgesamt nach § 49 RVG gegen die Staatskasse bestehenden Vergütungs...