Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete Arbeitszeit mittels Stempeluhr, Formular oder elektronischer Zeiterfassung korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine ihm gegenüber dem Arbeitgeber bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB (vgl. BAG, Urt. v. 13.12.2018 – 2 AZR 370/18, NZA 2019, 445; LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 12.4.2018 – 5 Sa 438/17; Pauken, GWR 2015, 177).
Home-Office oder Mobile-Work – gerade in Pandemiezeiten – erfordern im Gegenzug zur arbeitsrechtlichen Flexibilität Freiheiten und Eigenverantwortung des Arbeitnehmers, die bedauerlicherweise immer wieder von „schwarzen Schafen” ausgenutzt werden, womit der Arbeitszeitbetrug ein Dauerbrenner im Bereich der verhaltensbedingten Kündigung ist und bleibt (vgl. Rudolf, ArbRAktuell 2020, 27; Pauken, GWR 2015, 177).
Die Kontrollmöglichkeiten bei mobilen Arbeitsformen sind naturgemäß eingeschränkt. Es bietet sich aus Arbeitgebersicht an, bei Mitgliedern mobiler Teams in regelmäßigen Abständen Berichte über den Arbeitsfortschritt und bei Bedarf Teilarbeitsergebnisse anzufordern. Eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht des Arbeitnehmers zum Nachweis von Arbeitsergebnissen ist von der Rechtsprechung anerkannt (vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 15.9.2011 – 5 Sa 53/11, NZA-RR 2012, 246). Vor diesem Hintergrund hat der Arbeitgeber auch die Möglichkeit, von Arbeitnehmern die Führung und Vorlage von Tätigkeitsnachweisen zu verlangen. Maßnahmen zur (heimlichen) Überwachung wie z.B. der Einsatz von Keylogger-Software zur Nachverfolgung der Tastenanschläge von Mitarbeitern oder das Anfertigen von Screenshots sind allenfalls zulässig, wenn für den Arbeitgeber der konkret begründete Verdacht einer Straftat oder einer sonst schwerwiegenden Pflichtverletzung (etwa Arbeitszeitbetrug) durch den Arbeitnehmer besteht (Günther/Böglmüller, ArbRAktuell 2020, 186, 188).
Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, wie etwa das vorsätzlich falsche Erfassen von Überstunden, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer vertrauen können. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und füllt ein Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) gegenüber dem Arbeitgeber (BAG, Urt. v. 13.12.2018 – 2 AZR 370/18, NZA 2019, 1161; BAG, Urt. v. 26.9.2013 – 2 AZR 682/12, NZA 2014, 443).
Obwohl die Grundsätze der Rechtsprechung eindeutig sind und deshalb bei einem Arbeitszeitbetrug – auch mit Blick auf die strafrechtliche Komponente (hierzu Müller, öAT 2018, 95; Klinkhammer, ArbRAktuell 2017, 320) – gute Gründe für eine verhaltensbedingte Kündigung sprechen, ist in der Praxis zu beobachten, dass viele Arbeitgeber unklare Anweisungen bzgl. der Erfassung der Arbeitszeit an ihre Mitarbeiter geben und sich dann im Kündigungsschutzprozess auf eine unzureichende Verlegenheitsargumentation im Sinne „Das musste ihm doch klar sein!” zurückziehen.
Hinweise:
Arbeitgebern ist deshalb dringend zu raten, ihre diesbezüglichen Anforderungen und Anweisungen möglichst klar und für alle Arbeitnehmer verständlich zu fassen und ebenso zu kommunizieren. Es muss klar sein, welche Zeiten wie genau und wo und ggf. auch wann zu erfassen sind, um Missverständnisse und Interpretationsspielräume zu vermeiden. Dies bedeutet zwangsläufig auch, dass Arbeitnehmer über etwaige Änderungen der Zeiterfassungspraxis genau und rechtzeitig zu informieren sind, z. B. bei der Umstellung von elektronischer auf eine manuelle Erfassung und insb. auch bei erstmaliger Einführung einer Arbeitszeiterfassung. Mit Blick auf die Gerichtsverwertbarkeit im Streitfall sollten Arbeitgeber entsprechende Anweisungen schriftlich erteilen und sich den Empfang dieser Anweisung sowie die Kenntnis etwaiger hierzu bestehender Betriebsvereinbarungen durch den Arbeitnehmer gesondert quittieren lassen (Pauken, GWR 2015, 177).