Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger auf dem morgendlichen Weg zur erstmaligen Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit am häuslichen Arbeitsplatz am 17.9.2018 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der Kläger ist angestellter Gebietsverkaufsleiter im Außendienst. Er hat in der dritten Etage seines Wohnhauses mit Billigung der Arbeitgeberin einen voll ausgestatteten häuslichen Arbeitsplatz eingerichtet, den die Arbeitgeberin zudem bezuschusst hat. Er wohnt in der vierten Etage des Hauses. Am Unfalltag stürzte der Kläger morgens gegen 7 Uhr auf dem unmittelbaren Weg beim Hinabsteigen der Treppe zur Büroetage und zog sich dabei den Bruch eines Brustwirbelkörpers zu.
Die Beklagte verneinte einen Arbeitsunfall und lehnte Entschädigungsleistungen ab, da auf dem Weg von den Privaträumen in den betrieblichen Bereich zum Zwecke der Arbeitsaufnahme der Unfallversicherungsschutz erst mit dem Erreichen der Betriebsräume beginne. Das LSG hat das der Klage stattgebende Urteil des SG aufgehoben. Die Revision des Klägers war erfolgreich: Das BSG wies unter Aufhebung der Berufungsentscheidung die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurück (BSG, Urt. v. 8.12.2021 – B 2 U 4/21 R, hierzu Römer jurisPR-SozR 11/2022 Anm. 3, ferner Holznagel/Ullrich FD-SozVR 2022, 448928 und Sosi plus, 1/2022, 1).
Der Kläger hat einen Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII erlitten. Nach den bindenden, weil nicht mit Rügen angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat er als Beschäftigter (und kraft Gesetzes Versicherter, § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) einen Unfall erlitten. Seine Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses – Hinabsteigen der Treppe von der vierten Etage in sein Arbeitszimmer in die dritte Etage seines Eigenheims – stand in einem sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit, da er einen der Betriebsarbeit gleichgestellten (mit-)versicherten Betriebsweg zurücklegte.
Der Kläger sollte im Einvernehmen mit seiner Arbeitgeberin die Beschäftigung außerhalb der Betriebsstätte im häuslichen Arbeitszimmer ausüben. Damit ist von einem Homeoffice i.S.d. Rspr. des Senats auszugehen (s. etwa BSG, Urt. v. 27.11.2018 – B 2 U 28/17 R – juris Rn 9). Das BSG hat bereits in der Vergangenheit keinen Zweifel daran gelassen, dass grds. arbeitsrechtliche Homeoffice-Konstellationen dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterstehen (s. nur BSG, Urt. v. 31.8.2017 – B 2 U 9/16 R, ZAP F. 18, 1604 u. BSG, Urt. v. 27.11.2018 – B 2 U 28/17 R, ZAP F. 18, 1642).
Hinweis:
Mit Inkrafttreten ab 18.6.2021 bestimmt der in § 8 Abs. 1 SGB VII eingefügte S. 3 nunmehr: Wird eine versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei der Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte (s. näher zu den Änderungen, auch in § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII zum Wegeunfall, Sartorius/Winkler, ZAP F. 18, 1847).
Das BSG betrachtet diese Regelung im Hinblick auf seine frühere Rechtsprechung offenbar nur als Klarstellung und lässt offen, ob die neue Norm in Ermangelung einer ausdrücklichen Übergangsvorschrift zugunsten des Klägers auf den vorliegenden Fall zur Anwendung gelangt, da der Versicherungsfall bereits im August 2018 eingetreten ist. Ferner lässt das Gericht offen, ob innerhalb des häuslichen Arbeitszimmers generell Unfallversicherungsschutz besteht (s. hierzu BSG, Urt. v. 5.7.2016 – B 2 U 5/15 R, ZAP EN-Nr. 816/2016 = NJW 2017,508, Sartorius/Winkler, ZAP F. 18, S. 1511 f.), weil der Kläger hier seine eigentliche versicherte Tätigkeit in seinem häuslichen Arbeitszimmer noch nicht begonnen hatte, sondern sich noch auf dem Weg zur ersten morgendlichen Arbeitsaufnahme befand.
Beim Sturz auf der Treppe handelt es sich, so das BSG, um keinen versicherten Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Dieser setzt das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit voraus. Nach st. Rspr. des Senats beginnt und endet der Weg nach oder von dem Ort der Tätigkeit erst mit dem Durchschreiten der Außenhaustür des Hauses, in dem sich die Wohnung des Arbeitnehmers befindet. Bisher hat der Senat keine Veranlassung gesehen, diese Rspr. aufzugeben oder zu modifizieren, wenn sich Arbeitsstätte und Wohnung im selben Haus befinden; hieran hält er fest.
Der Kläger hat jedoch zum Unfallzeitpunkt einen (mit-)versicherten Betriebsweg – einen Weg, der in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt wird, Teil der versicherten Tätigkeit ist und damit der Betriebsarbeit gleichsteht – zurückgelegt (§ 8 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII; befinden sich Wohnung und Arbeitsstätte im selben Gebäude, ist ein Betriebsweg ausnahmsweise auch im häuslichen Bereich denkbar (so bereits BSG, Urt. v. 27.11.2018 – B 2 U 28/17, juris Rn 17 und nunmehr a.a.O. Rn 17). Das BSG stellt aktuell für den Umfang des Versicherungsschutzes im Homeoffice nicht mehr darauf ab, inwieweit die Treppe, auf der sich der Unfall ereignete, betrieblich...