Eine weitere Entscheidung hinsichtlich der gerichtlichen Überprüfung der Vollmacht eines Anwalts liegt mit dem Beschluss des BVerfG v. 18.2.2022 – 1 BvR 305/21 (NJW 2022, 1441) vor, durch den der Verfassungsbeschwerde gegen die Verwerfung eines Antrags auf Zulassung der Berufung in einem Verwaltungsrechtsstreit stattgegeben wurde.
Nachdem der Beschwerdeführer vorliegend mit Schriftsatz seines bevollmächtigten Anwalts die Zulassung der Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil des VG beantragt hatte, setzte das zuständige OVG mit Verfügung v. 20.11.2020, die dem Bevollmächtigten am gleichen Tag zuging, eine Frist zur Vorlage der Prozessvollmacht im Original bis zum 27.11.2020. Das Gericht erinnerte an die Erledigung dieser Verfügung mit Schreiben vom 1.12.2020. Telefonisch und erneut schriftlich am 2.12.2020 beantragte der Bevollmächtigte Fristverlängerung zur Vorlage der Vollmacht. Mit Beschluss v. 3.12.2020 verwarf das OVG den Antrag des Beschwerdeführers. Der Antrag sei unzulässig, weil der hier auftretende Anwalt nicht (nachgewiesenermaßen) bevollmächtigt sei.
Der angefochtene Beschluss verstößt gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Auch wenn wie hier ein Rechtsanwalt als Bevollmächtigter auftritt und wegen eines Mangels der Vollmacht eine generelle Überprüfung von Amts wegen ausscheidet, kommt nach der Rspr. des BVerwG eine solche Prüfung dann in Betracht, wenn die Art und Weise der Prozessführung bzw. sonstige besondere Umstände dem Gericht dazu berechtigten Anlass geben. Dies wurde etwa bejaht, wenn der auftretende Anwalt trotz gerichtlicher Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nur versäumt, die Vollmacht nachzureichen, sondern zudem den angeblich vertretenen Kläger nicht ordnungsgemäß bezeichnet (BVerwG, Urt. v. 27.6. 2011 – 8 A 1/10). Allein durch die Nichtvorlage nach Aufforderung wird hingegen, so das BVerfG, das dem Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege ausweislich § 67 Abs. 6 S. 4 VwGO beigemessene besondere Vertrauen nicht erschüttert. Angesichts der dort in S. 1 ausdrücklich angeordneten Möglichkeit zur Nachreichung der Vollmacht stellt ein solches Verhalten (Nichtvorlage) – zumal zum Zeitpunkt der Erhebung des Rechtsmittels – keine besonders ungewöhnliche Prozesssituation dar. Auf die ausbleibende Nachreichung kann allenfalls nach mehrmaliger vergeblicher Erinnerung und Fristsetzung maßgeblich abgestellt werden.
Im vorliegenden Fall war eine Verwerfung des Rechtsmittels aufgrund des Fehlens einer Vollmacht wegen Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil dem Bevollmächtigten keine angemessene Zeitspanne eingeräumt wurde, innerhalb derer er die Vollmacht nachzureichen hatte. Das BVerfG lässt offen, ob generell eine Wochenfrist für die Nachreichung der Vollmacht nach § 67 Abs. 6 S. 2 Hs. 2 VwGO grds. ausreichen könnte, jedenfalls widerspreche eine solche zeitliche Begrenzung vorliegend einer an der Effektivität des Rechtsschutzes orientierten Rechtsanwendung, weil keinerlei Umstände ersichtlich seien, die im konkreten Fall eine derzeit kurze Frist für die Nachreichung erfordern.