Abhängig davon, in welcher materiell-rechtlichen Konstellation die Interessen des Nachbarn und des Bauherrn aufeinanderstoßen, müssen verschiedene prozessuale Möglichkeiten auseinandergehalten werden.
a) Anfechtung einer Baugenehmigung
Die Baugenehmigung stellt nicht nur für den Bauherrn positiv fest, dass sein Vorhaben nicht öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht, sondern belastet damit gleichzeitig auch den Nachbarn. Die Baugenehmigung ist damit ein Verwaltungsakt mit Doppelwirkung.
Gegen eine Baugenehmigung kann der Nachbar Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO erheben. Die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) des Nachbarn setzt voraus, dass es jedenfalls möglich ist, dass der Nachbar in seinen, ihn schützenden Nachbarrechten verletzt ist. Auf die sog. Adressatentheorie kann sich der Nachbar nicht berufen, da Adressat der Baugenehmigung allein der Bauherr ist. Hinsichtlich der einzuhaltenden Klagefrist nach § 74 Abs. 1 VwGO ist zu klären, ob die einmonatige Rechtsmittelfrist gegenüber dem Nachbarn überhaupt zu laufen begonnen hat. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Baugenehmigung ihm gegenüber nicht bekanntgegeben worden ist.
b) Verpflichtungsbegehren auf Erlass einer bauordnungsrechtlichen Verfügung
Neben der Drittanfechtungsklage steht dem Nachbar auch die prozessuale Möglichkeit offen, im Wege einer Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO) ein bauordnungsbehördliches Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde zu erstreiten, um bspw. eine Baustelle stillzulegen oder eine Nutzung zu unterbinden. Für die Begründetheit der Klage ist es erforderlich, dass der Nachbar sich auf die Verletzung einer ihn schützenden – nachbarschützenden – Norm berufen kann. Da der Erlass einer bauordnungsrechtlichen Verfügung im Ermessen der Behörde steht, fehlt es regelmäßig an der Spruchreife, sodass der Nachbar nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hat (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO).
c) Eilrechtsschutz
aa) Antrag nach § 80a VwGO
Die Anfechtungsklage des Nachbarn gegen die Baugenehmigung hat nach § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung. Dies hat zur Folge, dass der Bauherr trotz erhobener Drittanfechtungsklage nicht gehindert ist, sein Bauvorhaben fortzusetzen. Um dies zu verhindern, muss der Nachbar erfolgreich Eilrechtsschutz nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80a Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 VwGO stellen. Danach kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung seiner Klage anordnen und in der Folge den Fortgang der Bauarbeiten verhindern. Hält sich der Bauherr nicht an die aufschiebende Wirkung und baut dennoch weiter, so kann der Nachbar nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80a Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 VwGO Sicherungsmaßnahmen gerichtlich erstreiten, die zu einer (gerichtlichen) Stilllegungsverfügung führen können.
bb) Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO
Liegt keine Baugenehmigung vor, weil bspw. ein genehmigungsfreies Vorhaben in Streit steht oder der Bauherr schlicht „schwarz” baut, steht dem Nachbarn Eilrechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO gerichtet auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Verfügung. Auf diesem Wege besteht dann die Möglichkeit eine (behördliche) Bauordnungsverfügung zu erreichen. Auch in diesem Verfahren ist der Bauherr notwendig beizuladen.
ZAP F. 19, S. 89–96
Von Pierre Becker-Rosenfelder, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht, Köln