(BGH, Urt. v. 1.9.2022 – I ZR 108/20) • Die Regelung des § 97a Abs. 3 S. 2 bis 4 UrhG, nach der für die Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen in einer Abmahnung unter bestimmten Voraussetzungen nur Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren nach einem Gegenstandswert von 1.000 EUR verlangt werden kann, wenn der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls nicht unbillig ist, steht mit dem Unionsrecht im Einklang. Die Billigkeitsklausel des § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG bedarf dahingehend der unionsrechtskonformen Auslegung. Diese Regelung ist entsprechend auf den Schadensersatzanspruch des Rechtsinhabers anzuwenden, der die Kosten der Abmahnung des nicht mit dem Rechtsverletzer identischen Internetanschlussinhabers umfasst. Auch dies ist unionsrechtskonform. Hinweis: Die Regelung des § 97a Abs. 3 S. 2 bis 4 UrhG betrifft nur den außergerichtlichen Bereich und erstreckt sich nicht auf die Kostenerstattung im gerichtlichen Verfahren. Sie lässt den Gebührenanspruch des Rechtsanwalts gegenüber dem auftraggebenden Rechtsinhaber unberührt und begrenzt nur dessen Erstattungsanspruch gegenüber dem Abgemahnten. Dies kann dazu führen, dass der Rechtsinhaber einen Teil seiner Abmahnkosten selbst tragen muss (vgl. LG Stuttgart, Urt. v. 9.5.2018 – 24 O 28/18). Mit Blick auf das Kriterium der Angemessenheit hat der EuGH ausgeführt, dass die obsiegende Partei einen Anspruch auf die Erstattung wenigstens eines erheblichen und angemessenen Teils der ihr tatsächlich entstandenen zumutbaren Kosten haben muss (vgl. EuGH, Urt. v. 28.4.2022 – C-559/20). Die Mitgliedstaaten dürfen Pauschaltarife einführen, allerdings diese nicht so niedrig ansetzen, dass sie die abschreckende Wirkung eines Verfahrens wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums erheblich schwächen. Außerdem ist es Sache des nationalen Gerichts, auch darauf zu achten, dass die voraussichtliche Höhe der Prozesskosten, die dem Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums zugesprochen werden können, nicht geeignet ist, ihn in Anbetracht der von ihm als außergerichtliche Kosten zu tragenden Beträge und ihres Nutzens für die Schadensersatzklage davon abzuhalten, seine Rechte gerichtlich geltend zu machen. Die Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen des Rechtsinhabers für die Abmahnung des nicht mit dem Rechtsverletzer identischen Anschlussinhabers ist als Schaden nach § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG, § 249 Abs. 1 BGB auf die Kosten für die Geltendmachung des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs beschränkt. Dem steht nicht entgegen, dass die Abmahnung gegenüber dem Anschlussinhaber auch bei unklarer Verantwortlichkeit das gebotene Mittel zur Sachverhaltsaufklärung darstellt, weil sich dieser Zweck auch bei alleiniger Geltendmachung des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs erreichen lässt.
ZAP EN-Nr. 51/2023
ZAP F. 1, S. 62–63