So lässt sich der Ruf aus der Praxis vernehmen. In den Beiträgen aus der Literatur von Mau, Zerb 2023, 1 ff. und Sander, Zerb 2023, 121 wird vollkommen zu Recht darauf hingewiesen, dass die Fälle von skrupellosen Vollmachtmissbrauch stetig zugenommen haben. Es handelt sich dabei um einen deutlichen Ruf aus der Praxis, der einen nachdenklich werden lässt, wenn z.B. die Verfasserin Frau Mau (eine erfahrene Kriminalhauptkommissarin des LKA Berlin) aus ihrer täglichen Praxis der Ermittlungsbehörde berichtet und dabei das Fazit aufstellt:
Zitat
„Vorsorgevollmachten sind nie sicher. Ein möglicher Missbrauch ist nicht zu verhindern und er trifft nicht nur das Vermögen. Die Gesundheit, der soziale Kontakt, die persönliche Freiheit, das Lebensumfeld, die Würde – alles kann damit behütet, aber eben auch mit den Füßen getreten werden. Wer auf der Basis von Vertrauen sein gesamtes Leben mit einer solchen Vollmacht in andere Hände übergibt, sollte immer auch das ganze Vermögen dazulegen. Denn wem man sein Leben anvertraut, dem kann man auch sein Geld anvertrauen. Und nur dieses ist das Ziel der Täter.”
Es dürfte demnach eine Pflicht zum Handeln bestehen. Aber wer ist damit eigentlich angesprochen? Der Vollmachtgeber bei seiner Suche nach den vermeintlich richtigen Bevollmächtigten? Oder vielmehr die Gestalter solcher (General-)Vollmachten wie Rechtsanwälte und vor allem Notare? Oder Strafverfolgungsbehörden, die bislang nur spärlich diese Vermögensdelikte in den Ermittlungsfokus rücken und häufig auf den Privatrechtsweg verweisen und keinesfalls extra Kapazitäten schaffen, um Staatsanwälte und Polizei mit ausreichend Mitteln auszustatten? Oder vielleicht eher die Legislative, die auf Gesetzgebungsebene andere Rahmenbedingen schaffen sollte?
Die Antwort dürfte lauten: Wir alle sind gefordert. Selbstverständlich wird es auch in Zukunft Vermögensdelikte rund um das Thema „Missbrauch einer Vollmacht” geben. Es sollten jedoch gerade von Rechtsberatern und erst recht von Notaren Zeit und Aufwand in eine umfassende Aufklärung und Beratung investiert werden. Aus meiner täglichen notariellen Praxis kann ich berichten, dass die Aufklärung und die Sensibilisierung der Beteiligten für dieses Thema erhebliche Zeit in Anspruch nehmen, aber dass sich es dabei keinesfalls um vergebene Zeit handelt. Ich bin immer noch der Meinung, dass jeder Mensch über die Erteilung von Vollmachten selbstbestimmt entscheiden soll. Ich verstehe aber auch als Fachanwalt für Erbrecht all jene Rufe, die eine gesetzliche Einschränkung fordern, weil die zivilrechtliche Aufarbeitung (Rückforderung) von rechtsmissbräuchlichen Vollmachtsverfügungen sehr unbefriedigend und mitunter aussichtslos sein kann. Es hat den Anschein, dass die Opfer mehr geschützt werden müssen.
Selbstverständlich müssen aber auch die Strafverfolgungsbehörden einen Fokus auf diese Vermögensdelikte legen. Dies setzt natürlich wiederum eine ausreichende personelle Infrastruktur voraus. Und zu guter Letzt wird auch der Gesetzgeber genau abwägen müssen, welche Sicherungsmittel zum Schutz der Personen bzw. Bürger von Gesetzes wegen vorgegeben werden müssten.
Ich bin daher der Meinung, es sollte für uns alle gelten: Hinschauen und nicht Wegschauen! Das vordrängende Problem von Vollmachtmissbrauchsfällen kann nur gemeinsam gelöst werden.
ZAP F., S. 41–41
Rechtsanwalt und Notar Dr. Pierre Plottek, Fachanwalt für Erbrecht, Bochum