Das Bundesministerium der Justiz hat ein Forschungsvorhaben zum Thema „Erforschung der Ursachen des Rückgangs der Eingangszahlen bei den Zivilgerichten” in Auftrag gegeben. Im April 2023 wurde der Abschlussbericht veröffentlicht (vgl. www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Fach?informationen/Abschlussbericht_Eingangszahlen_Zivilgerichte.htm ). In der Schlussbemerkung wird darauf aufmerksam gemacht, dass es länderübergreifender Standards in den Abläufen der Justiz bedürfe und dies auch betreffend die Digitalisierung, damit „die Justiz (wieder) auf Augenhöhe mit den Standards in Wirtschaft und Gesellschaft” komme.
Die Justiz versucht derzeit, mittels Software-Lösungen die eigenen Abläufe effektiver zu gestalten. Dabei steht v.a. der Umgang mit Massenverfahren im Vordergrund. Daneben tritt der Versuch, Software zu erproben, die Gerichtsentscheidungen möglichst automatisiert anonymisieren kann.
- Frankfurter Urteils-Konfigurator Elektronisch (FRAUKE) und Frankfurter Regelbasierte Intelligente Dokumentenerstellungs-Assistenz (FRIDA)
Der Frankfurter Urteils-Konfigurator Elektronisch (FRAUKE) – eine Kooperation mit IBM – erstellt auf der Basis der zur Verfügung gestellten Daten (z.B. Bordkarten, Flugzeiten, Wetterdaten, vorangegangene Entscheidungen des Amtsgerichts aus vergleichbaren Fällen) Urteilsvorschläge bei Fällen, in denen es um Fluggastrechte geht. Das Projekt, das bereits im Jahr 2021 mit einem Prototyp gestartet ist, befindet sich aktuell in der Ausschreibungsphase. Nunmehr soll der Prototyp in eine langfristig nutzbare Software umgewandelt werden.
Die Frankfurter Regelbasierte Intelligente Dokumentenerstellungs-Assistenz (FRIDA) – gleichfalls ein Kooperationsprojekt mit IBM – soll bei elektronisch geführten Verfahren unterstützen, die Verkehrsordnungswidrigkeiten betreffen. Die Software ist in der Lage, den Akten die relevanten Daten zu entnehmen und auf dieser Basis Entwürfe für Entscheidungen zu erstellen.
- Oberlandesgerichtsassistent (OLGA)
Am Oberlandesgericht Stuttgart kommt der sog. Oberlandesgerichtsassistent (OLGA) zum Einsatz, den das OLG Stuttgart zusammen mit IBM entwickelt hat, um die Fallbearbeitung in Dieselabgasverfahren zu unterstützen. OLGA extrahiert aus den Schriftsätzen die für die Fallbearbeitung entscheidenden Fakten und ordnet die Fälle auf der Basis dieser Daten passenden Kategorien und entsprechenden Entscheidungstypen zu.
- KI-Tool „Versicherungsverfahren”
Am Landgericht Kiel wird eine Software getestet, die in Versicherungsverfahren bei Klagen wegen Beitragserhöhungen von privaten Krankenversicherungen zur Anwendung kommen soll. Die Software könne eingereichte Schriftsätze nach bestimmten Informationen durchsuchen, um anschließend einen Entscheidungsvorschlag anzubieten (vgl. Pfleger, Was kann KI an den Zivilgerichten?, www.lto.de/recht/justiz/j/justiz-ki-kuenstliche-intelligenz-e-akte-digitalisierung-zivilgerichte ).
Unter anderem das Landgericht Frankfurt a.M. erprobt die Anwendung „Codefy”. Es handelt sich um ein Strukturierungs- und Durchsuchungstool, mit Hilfe dessen umfangreiche Verfahrensakten aufgearbeitet und strukturiert werden können. Mit eigenständig konfigurierbaren KI-Prüfassistenten und Textbausteinen wird eine Unterstützung bei der individuellen Entscheidungsfindung geleistet.
- SMART/Input Modules Justiz
Das Landgericht Ingolstadt testet das Texterkennungssystem „SMART/Input Modules Justiz”. Das System soll Daten aus analoger Gerichtspost auslesen. Auf diese Weise sollen die Serviceeinheiten bei der Übertragung von Verfahrensdaten per Hand entlastet werden.
- Anonymisierung von Gerichtsentscheidungen
Ein Ziel des Koalitionsvertrags zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ist es, Gerichtsentscheidungen grds. in anonymisierter Form in einer Datenbank öffentlich und maschinenlesbar verfügbar zu machen ( www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/koalitionsvertrag-2021-1990800, S. 106). Das Hessische Ministerium der Justiz plant zusammen mit Baden-Württemberg, ein KI-Anonymisierungstools zu pilotieren. Auch in Bayern soll demnächst ein System getestet werden, das in der Lage sein soll, automatisiert Urteile zu anonymisieren (vgl. Pfleger, Was kann KI an den Zivilgerichten?, www.lto.de/recht/justiz/j/justiz-ki-kuenstliche-intelligenz-e-akte-digitalisierung-zivilgerichte ).